0987 - Asmodis' Retter
hindeutete.
Ein Schleier stieg über dem Teufelskörper auf. Der Dunst seiner Seele. Oder seine verbleibende Lebenszeit. Was auch immer. Dylan konnte nicht sagen, ob er tatsächlich existierte oder ob er ihn nur wegen der Augensteine auszumachen vermochte. Letztlich war es aber auch gleichgültig.
Der Schleier teilte sich in drei Schwaden, die langsam auf die Gosh mit den Brustkristallen zuschwebten. Doch diese nahmen das Gespinst nicht etwa in sich auf. Stattdessen quoll es an den Dämonen vorbei und schob sich weiter auf die unveränderten Seelenhorte zu.
Dylan hielt die Luft an. Diese Entwicklung gefiel ihm gar nicht!
Wenn er die Kristalle später für Professor Andorra verwenden oder womöglich die Schließung der Quelle des Lebens rückgängig machen wollte, durften diese nicht mit Asmodis’ schwarzer Seele verunreinigt sein.
Er musste die Seelenhorte holen. Jetzt! Bevor das Gespinst des Bösen sie berührte.
Mit einem flauen Gefühl im Magen trat er aus dem Ganglabyrinth. Würde ihm die Düsternis hinter den Säulen genügend Schutz vor den Blicken der Versammelten bieten? Er hoffte es. Denn gegen diese Übermacht kam er nur mit dem Tattooreif sicher nicht an, auch wenn er ihn nun ungleich besser beherrschte als noch vor zweihundert Jahren.
(Der Dylan der Gegenwart fragte sich, ob er diese Fähigkeiten noch besaß oder ob er sie mit dem Großteil seiner Erinnerungen verloren hatte.)
Er schlich den Gang entlang. In seinem Kopf überlagerten sich mehrere Bilder. Die, die er dank der Augensteine durch die Sinnesorgane der Menschen und Dämonen wahrnehmen konnte, und das, das er durch die eigenen Augen sah, obwohl diese im Moment gar nicht existierten.
Ständig beobachtete er die Asmodisschleier. Sie schienen sich gegen die Magie der Gosh zu stemmen, doch diese trieb sie gnadenlos voran. Immer weiter auf die Seelenhorte zu. Höchstens ein Meter noch, dann würden sie die Kristalle erreichen.
Nein!, schrie es in Dylan. Das darf nicht geschehen.
Endlich kam er bei den Säulen an, zwischen denen hindurch er in fünf Körperlängen Abstand das Podest mit dem Zeitsplitter sehen konnte. Wenn er jetzt aus dem Gang unter der Galerie hervortrat, würde man ihn zwangsläufig entdecken.
Asmodis’ Seelenschleier befand sich höchstens noch dreißig Zentimeter vor den Kristallen.
Dylan blieb keine Wahl. Er musste alles auf eine Karte setzen.
Er streckte den Arm mit dem Tattooreif nach vorne, entließ die Tribals aber nur langsam aus seinem geistigen Griff. Als hauchdünner schwarzer Faden zuckten sie wie von einer Spinne geschossen auf den Seelenhort zu - und erreichten ihn nur einen Augenblick vor Asmodis’ Seelennebel.
Sie schlangen sich um den Kristall. Sofort befahl Dylan den Rückzug der Tribals. Sie gehorchten und brachten ihm das Objekt seines Interesses.
Für einige gnädige Sekunden glaubte er, niemand habe den Diebstahl bemerkt. Auf die beeinflussten Menschen und die Gosh-Dämonen traf das zunächst auch zu. Nicht so auf Asmodis!
Dank der Augensteine erkannte Dylan, dass das sorgfältig austarierte magische Feld, das den Fürsten der Finsternis umgeben und gefesselt hatte, zusammenbrach, weil einer seiner Eckpunkte - der Seelensplitter! - weggefallen war.
Asmodis’ Seelenschleier schnellte zurück wie ein Gummiband.
Ein überraschter Schrei ging durch die Massen der Gosh. Nur einen Augenblick später brach das Chaos aus.
Der Fürst der Finsternis setzte sich aufrecht auf dem Altar hin.
»Ihr wolltet mich vernichten!«, donnerte seine Stimme durch die Höhle. Steinchen rieselten von der Decke.
Dylan wollte sich nicht damit aufhalten, weiter zu beobachten. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Er musste noch die beiden anderen Seelenhorte holen und dann verschwinden.
Er hetzte den dunklen Gang unter der Galerie entlang und fluchte, dass er nicht einfach quer durch die Höhle laufen konnte. So wäre der Weg viel kürzer gewesen. Und viel gefährlicher.
Ich war es!, hallte es in seinem Kopf. Ich habe Asmodis gerettet.
Ein flüchtiger Blick in den Innenraum des Tempels zeigte den Fürsten der Finsternis, der auf dem Altar stand und schallend lachte. Nun trat er nicht länger als der stattliche Mann auf, der einer Herzogin den Hof machte, sondern als eine mindestens drei Meter hohe Teufelsgestalt mit peitschendem Schwanz.
»Ihr lächerlichen Wichte!«, brüllte er.
Dylan erreichte das zweite Podest und schickte erneut den Tribalstrang aus dem Tattooreif aus. Diesmal ließ er sich keine Zeit. Wie
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