0988 - Die Magnetfrau
noch mit Grit Wayne sprechen, auch wenn sie mich am liebsten fressen würde.«
»Tut sie nicht, John.« Glenda grinste mich an. »Dabei würde sie sich nur den Magen verderben.«
»Bin ich denn so schwer zu verdauen?«
»Für Fremde schon, für mich nur manchmal.«
»Danke, das baut mich auf.« Ich ging wieder zurück in das Büro, in dem Suko soeben aus seinem kurzen Schlaf erwacht war und sich die Augen rieb.
»Schon wieder zurück, John?«
»Wie du siehst.«
»Und jetzt?«
Ich setzte mich hinter meinen Schreibtisch. »Tue ich dir den Gefallen und telefoniere noch einmal mit Grit Wayne.«
Suko verdrehte die Augen.
Ich aber mußte immer an Glendas Theorie denken. War sie wirklich weit hergeholt, oder traf sie den Nagel auf den Kopf? Die Antwort war mir nicht bekannt, aber die Zukunft würde spannend werden, das stand für mich fest…
***
Allein in London und trotzdem nicht allein!
In diesem gefühlsmäßigen Zwiespalt steckte Celia Wayne. Sie war bis zur nächsten U-Bahn-Station gelaufen, hatte sich dort eine Karte gekauft und war in die City of London gefahren. Während der Fahrt hatte sie gehofft und gebetet, daß ihr die anderen Kräfte keinen Streich spielten und nicht ausgerechnet zu dieser Zeit zum Vorschein kamen, denn dann hätte sie in diesem Wagen aufgeräumt, und es wäre sicherlich zu einer Panik gekommen. Man hätte über Funk die Polizei alarmiert, und sie wäre letztendlich die Dumme gewesen.
Es geschah nichts. Sie konnte auf ihrem Sitz nahe der Tür bleiben, eingerahmt von einem Teenie mit qietschgelben Haaren und roter Lederkleidung. Die Kleine hatte Stöpsel in den Ohren und lauschte den Klängen einer Kassette. Sie drehte sich im Gehäuse eines Walkman.
Die Bahn fuhr weiter. Zwischendurch stoppte sie an den einzelnen Zielen. Celia Wayne hätte überall aussteigen können, aber sie blieb auf ihrem Platz hocken.
Sie fühlte sich im Wagen sogar recht sicher, und die Bewegungen ihrer Umgebung bekam sie so gut wie nicht mit. Das lief alles schattenhaft ab, denn sie war einfach zu stark in die eigene Gedankenwelt versunken, und die drehte sich um ihr Schicksal.
Daß etwas in ihr steckte, das sie sich selbst nicht erklären konnte, lag auf der Hand. Sie wußte nur nicht genau, woher diese andere Kraft kam, und sie ging schon davon aus, daß sie tief aus ihrer Vergangenheit kam, aus einer Zeit, an die sie sich nicht mehr erinnern konnte, weil sie noch ein Kind gewesen war.
Eigentlich hätte sie ihre Mutter fragen müssen, aber der Verstand sagte ihr, daß es nichts brachte. Wäre ihre Mutter informiert gewesen, so hätte sie die Tochter aufklären können, als die Sache in der Küche passierte.
Das hatte sie nicht getan. Celia wollte ihr nicht mal Absicht unterstellen.
Grit hatte es einfach nicht besser gewußt. Also konnte sie ihr auch nicht helfen, und Celia mußte mit ihren Problemen zunächst mal allein fertig werden.
Eine unbekannte und trotzdem kalkulierbare Größe waren auch die beiden Polizisten. Celia konnte sich gut vorstellen, daß sie nicht lockerlassen würden. Sie würden nach ihr fahnden lassen. Deshalb mußte sie damit rechnen, daß ihr Bild bald auf jedem Polizeirevier hing.
Keine freudige Vorstellung.
Zwar wußte die junge Frau nicht, wohin sie sich wenden sollte, aber nach Hause wollte sie zunächst einmal nicht. Da war sie nicht gelitten, das war einfach schlimm für sie, denn dort würde ihre Mutter nur Fragen stellen.
Zu Freunden?
Als sie daran dachte, mußte sie lachen. So laut, daß sich selbst der Teenie neben ihr gestört fühlte und sie unwillig anschaute. Celia lächelte.
Dafür streckte ihr die Kleine die Zunge heraus, was auch nicht die feine Art war.
Wieder hielt der Zug. Der übliche Ruck, die Menschen mußten sich festhalten.
Es zischte, als sich die Türen öffneten, und draußen auf dem Bahnsteig las Celia den Namen der Station.
Picadilly Circus!
Aussteigen, im Trubel verschwinden, nicht mehr an das Schicksal denken, sich ablenken lassen. Das alles hatte sie vorgehabt, aber sie konnte es nicht durchführen, weil sie sich plötzlich bleischwer fühlte.
Im Gegensatz zu dem Teenie neben ihr, denn die Kleine rutschte mit den Füßen heftig hin und her. Die Musik törnte sie wohl besonders an.
Aussteigen konnte sie nicht, weil es ihr einfach nicht gelang, den inneren Schweinehund zu überwinden und sich zu bewegen. So blieb sie sitzen und hörte zu, wie sich die Türen schlossen. Sie sah auch, daß sich die neuen Fahrgäste auf die frei
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