0989 - Das Erbe der Fremden
murmelte Grit Wayne. »Das haben mein Mann und ich auch gedacht, wobei Peter mit der Erziehung nicht viel am Hut hatte. Er war ja häufig unterwegs. Auf Montage. Ich war praktisch allein für Celia verantwortlich.«
»Da ist Ihnen nie etwas aufgefallen?«
»Nein, das sagte ich doch schon.« Sie schüttelte unwillig den Kopf.
»Nichts, aber auch gar nichts ist mir aufgefallen. Ich weiß selbst nicht, ob ich zu dumm gewesen bin oder ob ich blind war. Ich habe jedenfalls nichts bemerkt, so leid es mir tut.«
»Bis auf…«
»Ja, ja, ja!« schrie sie los, sprang auf und setzte sich wieder hin.
»Bis ich plötzlich die fliegenden Bestecke in meiner Küche erlebte und mit ansehen mußte, wie sie von meiner Tochter angezogen wurden. Sie zog die Messer, Löffel und Gabeln an. Das Zeug prallte gegen ihren Körper, aber es verletzte sie nicht, verstehen Sie?« Grit schlug gegen ihre Stirn. »Das Zeug klebte tatsächlich an ihr. Können Sie das begreifen?«
»Ja, das können wir«, erklärte Suko.
Grit Wayne hatte diese Antwort überrascht. »Wieso sagen Sie das so leicht? Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«
»Nein, Mrs. Wayne, wir haben es selbst erlebt, als wir Celia in der Klinik besuchten. Da ist es ihr dank ihrer geistigen Kräfte gelungen, uns zu entwaffnen. Die Pistolen wurden uns wie von unsichtbaren Fingern entrissen. Das ist eine Tatsache, und auch wir haben da unsere Probleme.«
Grit Wayne starrte uns an. Sie schüttelte den Kopf. Ihre Lippen zuckten, und sie schien nicht zu wissen, ob sie nun lachen oder weinen sollte. Schließlich hatte sie die entsprechenden Worte gefunden und fragte: »Was wollen Sie denn noch hier?«
»Aufklärung.«
»Ich kann nichts sagen.« Sie schlug mit den flachen Händen zugleich auf die helle Tischdecke, die als Raute auf der Tischplatte lag.
»Ich weiß es wirklich nicht.« Sie holte tief Luft. »Glauben Sie denn, mir würde es Spaß machen? Schauen Sie mich doch an! Ich sehe aus wie eine alte Frau. Vor einigen Tagen habe ich nicht so ausgesehen. Erst als ich die brutale Wahrheit erfuhr, da bin ich fast durchgedreht. Ich war nie eine große Trinkerin, obwohl das Alleinsein schon verdammt schlimm ist, denn mein Mann war ja fast immer weg. Ich tröstete mich damit, daß ja meine Tochter zu Hause war. Aber auch sie wurde älter und fing an, ihren eigenen Weg zu gehen.« Sie hob die Schultern. »Da habe ich dann hin und wieder zur Flasche gegriffen und mir den einen oder anderen Schluck gegönnt. Das sollten Sie wissen. Ich bin auch nicht mehr angeschlagen. Ich wäre es gewesen, wären Sie nicht gekommen, aber jetzt…«
Ihre Worte verloren sich, und sie schaute ins Leere.
Wir hatten Verständnis für Grit Wayne. Das Leben dieser Frau war nicht leicht gewesen, aber sie mußte sich jetzt entschließen, gewisse Grenzen zu überspringen. Ohne ihre Hilfe kamen wir nicht weiter.
Nach einer langen Pause hatte sich Grit Wayne wieder gefangen.
Sie schaute mich an und sagte: »Sie schweigen. Sind Sie geschockt, Mr. Sinclair?«
»Nein, nicht direkt. Wir hatten mit ähnlichen Problemen gerechnet.«
»Auch damit, daß Sie meine Tochter hier finden?«
»Nein, das nicht.«
Meine letzte Antwort hatte sie überrascht. »Verdammt, weshalb sind Sie dann gekommen?«
»Weil wir mit Ihnen über Ihre Tochter reden müssen.«
Sie winkte ab und sagte: »Hören Sie auf, da gibt es nichts zu bereden. Sie ist normal aufgewachsen. Sie wurde von einer fast normalen Familie aufgenommen…«
»Nur fast?«
»Ja, zum Teufel, weil mein Mann doch so oft unterwegs war und es noch immer ist. Glauben Sie denn, wir hätten uns sonst dieses kleine Haus hier leisten können? Da hat Peter sich schon angestrengt, das kann ich Ihnen sagen.«
»Gut«, entgegnete ich und nickte wie jemand, der ein Thema abschließen will. So war es auch bei mir. »Uns geht es primär nicht um die Zeit oder um all die Jahre, in der Ihre Tochter bei Ihnen gelebt hat, wir möchten etwas anderes von Ihnen wissen.«
»Bitte, fragen Sie!«
»Wie war es damals?«
»Was meinen Sie?«
»Immer der Reihe nach, Mrs. Wayne«, sagte ich und hob die Arme. »Mit damals meine ich die Zeit, als Ihre Tochter Celia noch sehr klein gewesen ist. Sie war zwei Jahre alt, als sie von Ihnen und Ihrem Mann adoptiert wurde.«
»Sie sind gut informiert.«
»Das gehört zu unserem Beruf. Sie war also zwei«, wiederholte ich, »und jetzt meine Frage: Ich möchte von Ihnen wissen, was vor dieser Zeit war. Woher haben Sie Ihre Tochter geholt? Aus
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