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099 - Der steinerne Gott

099 - Der steinerne Gott

Titel: 099 - Der steinerne Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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grinste. „Das ist Ihr Problem, Dorian. Sehen Sie zu, wie Sie mit diesem Dilemma fertig werden. Ich bleibe bei meiner Forderung." Er streckte eine Hand aus. „Den Spiegel, Dorian!"
    „Also gut. Sie lassen mir keine andere Wahl."
    Den Spiegel wie ein Präsent vor sich haltend, näherte er sich Gunnarsson. Vielleicht bildete er sich nur ein, sterben zu müssen, wenn er den Spiegel weitergab. Was wußte er schon über den Spiegel, daß er so sicher sein konnte, ohne ihn nicht mehr sein zu können? Und wenn schon. Alles wäre ihm lieber, als in Hermes Trismegistos' goldenem Käfig gefangen zu sein.
    Dorian hatte die Hälfte des Weges zurückgelegt. Plötzlich spürte er, wie sein Fuß von einer unsichtbaren Kraft erfaßt wurde. Er wollte noch zurückweichen, doch dazu war es zu spät. Etwas zog ihn wie ein Magnet an, riß ihn mit sich und schleuderte ihn gegen die Wand. Dort wurde er wie gekreuzigt festgehalten, konnte sich nicht mehr bewegen.
    „Das hätten Sie nicht erwartet, Dorian, was?" Gunnarsson kam grinsend näher. „Aber glaubten Sie wirklich, ich würde mich darauf verlassen, daß Sie den Spiegel freiwillig herausrücken? Das wäre Selbstmord gewesen."
    Gunnarsson nahm ihm den Spiegel aus den klammen Fingern und strich liebevoll über den Rahmen, während er ihn mit seinen Blicken zu verschlingen schien.
    „Endlich ist wieder Hermons gesamte Macht vereint", sagte er überwältigt. Er blickte hoch, und als er Dorians Blick begegnete, drückten seine Augen Bedauern aus. „Es tut mir irgendwie leid um Sie, Dorian. Das werden Sie mir natürlich nicht glauben, denn Sie halten mich für skrupellos, gefühlskalt und grausam. Aber wer herrschen will, muß seine Gefühle verleugnen können und manchmal grausam und hartherzig sein. Dies ist eine chaotische Welt, und dem Bösen ist nicht mit Gefühlen beizukommen."
    Dorian wollte etwas sagen, doch das magische Feld lähmte sein Stimmorgan.
    „Ich habe Mitleid mit Ihnen, Dorian", sagte Gunnarsson und entfernte sich rückwärtsgehend. „Und ich möchte Sie nicht leiden sehen. Sie haben sich einen schmerzlosen Tod verdient. Tut mir leid, Dorian, aber hier ist nur für einen Platz."
    Gunnarsson blieb stehen und hob den Spiegel vor sein Gesicht. Dorian starrte wie hypnotisiert darauf. Er wußte, was nun passierte. Gunnarsson übertrug seine Wünsche auf den Spiegel, der den Befehl verstärkte und in magische Energie umwandelte.
    Dorian sah, wie sich die ihm zugewandte Spiegelfläche verfärbte, zuerst milchig wurde und dann das gesamte Spektrum des Regenbogens zeigte. Die Farben wechselten immer schneller, bis sie sich so rasend schnell veränderten, daß die einzelnen Phasen nicht mehr auseinanderzuhalten waren. Der Spiegel begann zu leuchten. Das Glühen verstärkte sich. Die Spiegelfläche wurde wieder transparent, so daß Dorian dahinter das verzerrte Gesicht des Isländers sehen konnte. Der Spiegel erstrahlte in einem solch grellen Licht, daß Dorian sich abwenden mußte.
    Jetzt! dachte er.
    Ein Schrei. Dorians Kopf ruckte hoch. Er sah, wie aus der Spiegelfläche ein Blitz fuhr und in Magnus Gunnarsson einschlug. Mit ungläubigem Entsetzen verfolgte Dorian, wie die Gestalt des Isländers aufglühte, dann schwarz wurde und in Sekundenschnelle verkohlte, in sich zusammenfiel und sich auflöste.
    Magnus Gunnarssons Traum von der Macht hatte ein jähes Ende gefunden. Die Kräfte, die er weckte, hatten sich gegen ihn selbst gerichtet.
    Dorian konnte sich auf einmal wieder bewegen. Er blickte auf den Spiegel hinunter, der wieder sein normales Aussehen angenommen hatte.
    „Magnus Gunnarsson hat selbst die Entscheidung zu Ihren Gunsten herbeigeführt, Hunter", hörte Dorian Grettir hinter sich sagen. „Nun haben Sie keine Wahl mehr."
    „Unga ist noch da", sagte Dorian müde.
    „Nein, Unga hat den Tempel längst verlassen", erwiderte Grettir. „Er hat von Anfang an auf seine Nominierung verzichtet und für Sie plädiert."
    „Ich will nicht Hermes Trismegistos sein", sagte Dorian mit belegter Stimme.
    Bevor Grettir ihm antworten konnte, bebte der Boden unter ihren Füßen. Ein Grollen, wie aus den Tiefen der Erde, war zu hören, wurde lauter, schwoll immer mehr an. Der Tempel wurde wieder erschüttert. Diesmal war der Stoß so stark, daß Grettir von den Beinen gerissen wurde.
    Dorian half ihm auf.
    „Was hat das zu bedeuten?" brüllte Dorian Grettir ins Ohr.
    Der Alte bedeutete ihm durch einen Wink, ihm zu folgen.

    Grettir brachte ihn zurück ins Tempelzentrum.

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