0990 - Der Killer-Clown
Schrei hallte durch das Zelt. Der Clown hatte ihn ausgestoßen, denn ihm war erst jetzt bewußt geworden, was tatsächlich mit ihm passiert war.
Man hatte ihm die Macht genommen. Man hatte das Erbe seiner Mutter zerstört. Er war schutzlos geworden.
Und er drehte durch. Es war ihm alles egal. Er konnte nicht mehr anders, er wurde zu einer reißenden Bestie und schlug mit seiner Lanze um sich wie ein Irrer: Suko hatte sich geduckt. Er huschte zur Seite. An den Clown wollte er nicht denken, denn es gab noch eine gewisse Jane Collins, und er fragte sich, ob die Löwin zugebissen hatte…
***
Diese Frage stellte auch ich mir!
In mir tobte die Angst um Jane, als ich mich hochgerappelt hatte. Suko kümmerte sich um den Clown. Ihm traute ich zu, daß er Grogg außer Gefecht setzte.
Jane Collins lag noch auf dem Boden. Sie bewegte sich nicht, obwohl das Maul der Löwin nicht mehr über ihrer Kehle schwebte. Das Tier hatte sich abgewendet, und auch die männliche Raubkatze zeigte an uns kein Interesse mehr.
Dennoch rührte sich Jane nicht. Der Schock saß einfach noch zu tief.
Julia Sargasso stand in ihrer Nähe. Die Augen weit geöffnet, das Gesicht verzerrt.
Der Puma stieg über Janes Körper hinweg. Er trottete quer durch die Manege. Ein Bündel an Kraft, das sich für nichts zu interessieren schien.
Wie das Löwenpaar.
Das aber änderte sich blitzartig. Als ich Jane erreicht hatte, drehte der Clown durch.
Das Gesicht war zerplatzt. Er hielt jetzt nur noch seine normale Lanze mit dem gedrechselten Stab fest, und ihm war auch bewußt geworden, daß er das letzte Andenken an seine Hexenmutter verloren hatte.
Diese Tatsache mußte bei ihm etwas ausgelöst haben, das ich zumindest nicht nachvollziehen konnte. Einen Blackout und ein gleichzeitiges Durchdrehen.
Er blieb nicht mehr auf seinem Platz stehen. Wie ein Kastenteufel sprang er in die Höhe, drehte sich dabei, kam wieder auf und rannte los. Er schaute nicht, wohin er lief. Er wollte nur weg, und er hielt seine Lanze stoßbereit in der Hand.
Daß er den Weg des Pumas kreuzen würde, kam ihm nicht in den Sinn.
Er war voll und ganz auf seine Flucht und damit auf den Ausgang fixiert.
Die Waffe tanzte zwischen seinen Händen. Sie bewegte sich mal nach oben und dann nach unten. Ein Hin und Her, das nicht aufhörte, auch nicht in der unmittelbaren Nähe des Pumas.
Es kam, wie es kommen mußte.
Erst rammte die Spitze in die Flanke des Tieres, dann stolperte der Clown über den Körper.
Er schrie noch, als er auf dem Bauch weiterrutschte. Da aber hatte sich der Puma bereits herumgeworfen, und auch sein Kampfschrei hallte gegen das Zeltdach. Es war ein Ausdruck der Wut, der reinen Gier, und plötzlich war er nicht mehr zu halten.
Bevor sich der Killer-Clown aufrichten konnte, hockte das Raubtier auf seinem Rücken.
Der Kopf ruckte nach vorn. Das Maul stand offen, der Puma war wie von Sinnen. Er biß zu.
Ich schloß die Augen und zerrte Jane dabei in die Höhe, die sich an meinen Schultern festklammerte. Dann waren plötzlich die beiden Löwen bei ihrem Opfer. Der Blutgeruch hatte sie angelockt, und sie waren von keinem mehr zu stoppen.
Wir sahen zu, daß wir so rasch wie möglich aus dem Zelt herauskamen.
Einen Seitenausgang konnten wir nehmen. Kein Tier kümmerte sich um uns. Suko zerrte die Direktorin weiter. Beide Frauen kamen erst richtig zu sich, als wir gemeinsam den Wohnwagen der Julia Sargasso betreten hatten. Wir schärften ihnen ein, da zu bleiben und liefen wieder zurück zum Zelt. Diesmal waren wir nicht allein. Durch die Zerstörung des Fratzengesichts war auch der Schlafbann gebrochen worden. Ich sah Männer und Frauen, die noch verschlafen wirkten, als sie ihre Wagen verließen. Wir schrien ihnen zu, in ihrem Wagen zu bleiben, weil die Raubtiere frei waren. Zwei breitschultrige Männer in Unterhemden reagierten genau richtig. Sie waren darauf vorbereitet, ausgebrochene Tiere zu stoppen. Es dauerte nur Sekunden, da hatten sie ihre Betäubungsgewehre geholt.
Suko und ich konnten zurückbleiben, als sie im Zelt verschwanden. Nach ungefähr einer Minute kehrten sie zurück. Beide bleich im Gesicht. Sie hatten gesehen, was da passiert war, und sie wollten von uns Antworten bekommen.
Wir wiesen uns aus. So hatten wir zumindest die Gewähr, von den Leuten nicht angegriffen zu werden. Zwei Fremde waren immer verdächtig. Den Rest klärte Julia Sargasso auf, als sie sich wieder erholt hatte. Und sie hielt sich tapfer dabei, als sie eine Geschichte
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