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0992 - Der Judasbaum

0992 - Der Judasbaum

Titel: 0992 - Der Judasbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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nichts sagen oder sich in die Karten schauen ließ.
    Herr Schneider hatte sich wieder etwas fangen können. Sein Wimmern war verstummt. Er atmete jetzt nur noch laut. Seine Augen waren offen und verdreht. Die Hände bewegten sich hektisch hin und her, als wollte er den klebrigen Schweiß an den Hosenbeinen abputzen.
    »Herr Schneider…« Ich hatte ihn zwar leise, aber durchaus hörbar angesprochen und wartete auf seine Reaktion.
    Zuerst tat sich nichts. Sein Blick war ins Leere gerichtet. Ich sah in seinem Gesicht nur die starren Augen, darunter die leicht gebogene Nase, den Schweiß auf der breiten Oberlippe und die dünnen, aufeinander liegenden Lippen.
    »Was wollen Sie denn noch?« fragte er flüsternd zurück. »Sie haben schon so viel Schaden angerichtet.«
    »Das glaube ich nicht.« Ich reichte ihm zwei weitere Tücher. Er nahm sie auch und tupfte damit über seine linke Wange. Als er sie zurückzog, klebte auf dem Material die grauschwarze Flüssigkeit.
    »Was ist das?« fragte ich ihn. »Was hat sich da aus Ihrer Haut gelöst, Herr Schneider?«
    »Satan – der Satan…«
    »Nein, das glaube ich Ihnen nicht. So sieht der Satan nicht aus, wenn man überhaupt von einem Aussehen sprechen kann. Das ist etwas anderes, ich weiß es.«
    »Die Strafe für den Verräter.«
    »Was haben Sie verraten?«
    »Alles.«
    Das war natürlich keine Antwort, die ich akzeptieren konnte. »Haben Sie einen Menschen verraten?«
    »Ich werde jetzt gehen, um zu sterben. Ich werde mich in seine Arme begeben.«
    »Und wo wartet er?«
    Roland Schneider, der ehemalige Bischof, setzte sich aufrecht hin und dabei half ich ihm noch. »Er wartet auf uns. Wir müssen zu ihm gehen.«
    »Einverstanden. Aber wer ist er? Und wohin müssen wir denn gehen, verdammt!«
    »Zum Baum…«
    »Ach?«
    »Ja«, sagte er leise. »Wir müssen zum Baum gehen, und zwar zum Judasbaum…«
    ***
    Manchmal war sich Harry Stahl vorgekommen wie auf einem Schiff, das mit geblähten Segeln durch die Wolken fährt und von keinem Hindernis gestoppt werden konnte.
    Als Wolken konnte man den Nebel auch bezeichnen, aber Harry segelte nicht durch die Luft, sondern fuhr nach wie vor über das Wasser hinweg und hörte auch nicht das Rauschen des Windes in den Segeln, sondern das leise Tuckern des Außenborders.
    Es war ein guter und vor allen Dingen leiser Motor. So leicht würde er nicht zu hören sein, denn die Geräusche verliefen sich über dem Sumpf oder wurden vom Dunst geschluckt.
    Rocky, Harrys neuer Begleiter, verhielt sich jetzt anders als kurz nach dem Start. Da waren ihm die schwankenden Planken doch etwas suspekt gewesen, und er hatte sich ziemlich unruhig gezeigt.
    Mittlerweile aber hatte er sich daran gewöhnt, hockte neben Harry im Heck und schaute starr nach vorn, als gäbe es im Dunst irgend etwas Besonderes zu entdecken.
    Der Nebel blieb nie gleich. Mal dünnte er aus, dann wieder ballte er sich zusammen und sorgte beinahe für eine Blindfahrt. Zum Glück war diese Insel nicht sehr lang. Harry hatte sie immer schnell durchfahren.
    Er wußte, welche Aufgabe ihm bevorstand, und er war dementsprechend auf der Hut. Dieser Bruno Zacharias gehörte nicht zu den Menschen, die schliefen. Er war ein Killer, einer, dem es nichts ausgemacht hatte, zahlreiche Menschen zu töten. Bei einem Anschlag, ausgeführt durch eine Bombe, hatte er sogar eine Familie ausgelöscht und war dann wieder entkommen. Ein Schatten, ein Phantom, das zudem durch die Geheimdienste der ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten genügend Rückendeckung erhalten hatte. Da hatten die Gegendienste der NATO immer nur dumm aus der Wäsche geschaut.
    Aber jetzt wußte man, wo er sich befand. Die Fahndung nach ihm war nie unterbrochen worden. Sein Bild – es gab nur wenige Aufnahmen – hing in jeder größeren Dienststelle der Polizei, und Harry hoffte, daß es bald abgehängt werden konnte, wenn er sich den Burschen geschnappt hatte.
    Daß es ein Himmelfahrtskommando war, stand für ihn fest. Das hatte man ihm auch gesagt, aber er befand sich in einer Lage, in der er keinen Auftrag ablehnen konnte. Seine schlechte Zeit lag noch nicht lange zurück, und er erinnerte sich noch sehr gut daran, da war ihm der neue Job wie ein Auffangbecken vorgekommen. Allerdings ein mit Wasser gefülltes, in dem er nun herumschwimmen mußte.
    Zum Glück saß Rocky neben ihm. Der Hund war äußerst wachsam. Er würde ihm aufs Wort gehorchen und war hoffentlich eine große Hilfe, wenn es gegen den Killer ging.
    Ab und zu

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