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0992 - Der Judasbaum

0992 - Der Judasbaum

Titel: 0992 - Der Judasbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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und dann neben mir stehenblieb.
    Ich blickte nach rechts.
    Herr Schneider stand dort, hielt den Kopf gesenkt und hatte eine Hand gegen die linke Wange gelegt, wie jemand, der unter Zahnschmerzen leidet.
    Das war bei ihm bestimmt nicht der Fall. Diese ungewöhnliche Haltung mußte einen anderen Grund haben.
    »Ist Ihnen nicht gut?« fragte ich.
    »Warum?«
    »Ganz einfach. Weil Sie sich so verhalten und ihre Hand gegen die Wange pressen.«
    »Das stimmt.«
    Ich hatte mich anders hingestellt und fragte weiter. »Gibt es dafür auch einen Grund?«
    »Bestimmt.«
    »Welchen?«
    Er antwortete auf seine Weise. Für einen Augenblick schaute er mich noch an, und ich stellte fest, daß er sehr helle Augen hatte, wie blaugraues Glas.
    Dann ließ er die Hand langsam nach unten sinken.
    Ich schaute hin – und wurde blaß!
    ***
    Wir sagten beide nichts, und das war in diesen langen Momenten auch gut so. Jeder konnte sich seine Gedanken machen, und ich hatte Mühe, nicht mit einer schnellen Frage vorzupreschen, denn die Wange des ehemaligen Bischofs sah nicht so aus, wie sie eigentlich hätte aussehen müssen. Ich konnte auch verstehen, weshalb er sich mir nicht so genau gezeigt hatte.
    Sein Gesicht war auf der linken Seite regelrecht zerfressen!
    Ja, zerfressen, als wäre es mit einer bestimmten Säure in Verbindung gekommen, die jemand über die Haut gekippt und die sich dann tief eingeätzt hatte.
    Das Fleisch war noch vorhanden. Ich sah kein Blut, aber die linke Seite hatte sich trotzdem verändert. Die Haut sah aus wie aufgeribbelt. Sie hatte Falten geworfen, auf dem Grund der Falten schimmerte eine dicke, weißliche Flüssigkeit. Loch lag neben Loch. Es hätte mich nicht gewundert, die Knochen zu sehen, aber so tief war die Verätzung wohl nicht fortgeschritten.
    Schneider sagte nichts. Er schaute nur. Seine Augen hatten einen wissenden und zugleich traurigen Ausdruck angenommen, als er mir zunickte, dann wieder die linke Hand anhob und die Finger dabei sehr nahe an seine veränderte Wange heranbrachte. Ein Stück Haut klemmte er zwischen Daumen und Zeigefinger, bevor er es abzog wie ein Stück Papier, es noch zwischen den Kuppen zusammenrollte und dann zu Boden fallen ließ.
    »Beeindruckend«, sagte ich leise.
    »Stimmt, Herr Sinclair. Wissen Sie nun Bescheid?«
    »Nein.«
    »Wollen sie nicht gehen? Reicht Ihnen dieser Anblick nicht? Oder wollen Sie ebenfalls so aussehen wie ich? Das kann Ihnen nämlich passieren, wenn Sie nicht von hier verschwinden.«
    »Wenn ich sagen würde, daß es mir nichts ausmacht, würde ich lügen, aber ich möchte wirklich nicht gehen, denn für mich ist es erst interessant geworden.«
    Das verstand der ehemalige Bischof nicht. »Interessant«, wiederholte er. »Das kann nicht stimmen. Das kann ich einfach nicht glauben. Sie machen sich etwas vor, denn Sie spielen bereits jetzt mit ihrer Existenz.«
    »Sie nicht?«
    »Ja, ich spiele damit. Aber ich kann nicht anders. Für mich gibt es kein Zurück, für Sie schon.«
    »Steckt der Satan dahinter?«
    Der Mann bewies mir, daß er auch lachen konnte. »Sie zitieren da aus meinem Brief an den Kollegen, wie?«
    »So ist es.«
    »Ich weiß nicht, ob der Satan dahintersteckt, Herr Sinclair, denn man kann ihn nicht beschreiben. Der Satan ist vielfältig. Er bringt die Hölle überall hin. Es gibt keinen Ort auf der Welt, an dem man sich vor ihm verstecken kann.« Er deutete über die Schulter hinweg auf die Kirche. »Selbst dort nicht.«
    »Das sehe ich zwar anders, Herr Schneider, aber Sie werden schon Ihre Gründe haben, so zu reden.«
    »Habe ich bestimmt.«
    »Und sie haben auch etwas mit der Veränderung in Ihrem Gesicht zu tun, denke ich.«
    »Es muß wohl so sein.«
    »Und ich hätte sie gern erfahren, Herr Schneider. Nur wenn man die Ursache kennt, kann man sie bekämpfen.«
    »Das stimmt«, gab er flüsternd zu. »Aber in diesem Fall ist es einfach anders.«
    Ich nickte ihm zu. »Wenn ich Sie so anschaue, muß ich Ihnen recht geben, Herr Schneider, aber Sie werden auch verstehen, daß ich persönlich darüber anders denke.«
    »Dann wollen Sie sich in Gefahr begeben? In eine tödliche Gefahr?«
    »Nein, Sie verstehen mich nicht. Das habe ich beim besten Willen nicht vor. So dumm kann kein Mensch sein. Eine Erforschung der Ursachen heißt für mich nicht, daß ich mich in Gefahr begebe. So dürfen wir beide das nicht sehen.«
    »Aber es ist so«, sagte er. »Wer versucht, gewisse Dinge aufzuklären, der muß auch damit rechnen, sein Leben zu

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