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0992 - Der Judasbaum

0992 - Der Judasbaum

Titel: 0992 - Der Judasbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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und man konnte diesen Job in etwa als einen kirchlichen Geheimauftrag ansehen, um den mich ein anglikanischer Bischof gebeten hatte.
    Wer ich war, hatte sich auch bis in die höheren Kreise der Kirche herumgesprochen, und so war es dann durch die Vermittlung meines Chefs zu dem Treffen mit dem Bischof gekommen, den schwere Sorgen belasteten, denn ihm ging es dabei um einen deutschen Freund und Kollegen, der seiner Meinung nach noch im Alter dem Bösen anheim gefallen war, wie er sich auszudrücken pflegte.
    Ich hatte genauer nachgefragt und eine schon sehr ungewöhnliche Antwort aus dem Mund des Bischofs vernommen. »Der deutsche Kollege will sich dem Satan opfern.«
    Ich war überrascht gewesen, hatte natürlich nachgefragt, aber nicht viel Neues erfahren, weil der Deutsche darüber nicht hatte sprechen wollen. Er sah sich nur als Verräter an, und über die Motive hatte er sich nicht ausgelassen.
    Wenn die Kirche ruft, darf man nicht nein sagen. So war es mir von Sir James erklärt worden, und deshalb hatte er diesem Geheimauftrag zugestimmt. Geheimauftrag deshalb, weil kein deutscher Kollege eingeweiht worden war. Selbst Harry Stahl hatte keine Nachricht bekommen. Ich war mit dem Auftrag losgefahren, mich einmal umzuschauen, um herauszufinden, was an der Sache stimmte und was nicht.
    Und so befand ich mich jetzt im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, eine Gegend, die relativ dünn besiedelt war, sich aber durch eine herrliche Natur auszeichnete. Zahlreiche Seen, Felder und Moore prägten diesen Landstrich, in dem die Orte oft genug verschwanden, als wären sie nur Störenfriede.
    Ich jedenfalls war froh gewesen, das Ziel erreicht zu haben, denn in der alten Kirche sollte ich den Bischof treffen und mehr über ihn erfahren.
    Der britische Kollege hatte ihm einen Brief geschrieben. Ich war also avisiert worden, aber eine Antwort hatte mein Landsmann nicht erhalten. Trotzdem war ich losgefahren, in der Hoffnung, etwas erreichen zu können, um auch zu erfahren, ob sich Bischof Schneider tatsächlich mit der anderen Seite zusammengetan hatte.
    Es war auch für mich schwer vorstellbar, aber ausschließen konnte man nie etwas.
    Ich fuhr mit meinem Leihgolf näher an das dunstumwehte Gebäude heran und stoppte am Rande einer Hecke, die ebenfalls ihre Blätter verloren hatte.
    Zunächst einmal blieb ich sitzen, den Körper nach vorn gedrückt, die Arme auf dem oberen Lenkradrand verschränkt. Bis zur Kirche waren es etwa zwanzig Schritte, und das Mauerwerk erschien mir zum Greifen nahe. Wenn ich hochschaute, konnte ich den Turm sehen.
    Eine Glocke entdeckte ich. Sie war nicht groß, und ihr Klang würde sicherlich nur sehr dünn rüberkommen.
    Sie bewegte sich ebenso wenig wie der Nebel, denn der Wind wehte kaum. Von Bischof Schneider sah ich ebenfalls nichts. Wenn er anwesend wäre, hätte er mich sicherlich hören und sehen müssen, aber die Kirchentür blieb geschlossen.
    Ich würde nachschauen. Der Bischof wohnte zwar nicht in der Kirche, aber im Brief des Kollegen hatte gestanden, daß mich der pensionierte Kollege in der Kirche empfangen sollte.
    Ich löste den Sicherheitsgurt, öffnete die Tür und stieg aus. Als ich die Tür wieder zugedrückt hatte und auf die Kirche zugehen wollte, da läutete die Glocke!
    Damit hatte ich nicht gerechnet. Es geschah auch so plötzlich, daß ich neben dem Fahrzeug stehenblieb und zunächst mal keinen Schritt weiterging.
    Da der Glockenturm offen war, sah ich die Bewegungen der Glocke. Sie schwang nur leicht hin und her, und ihr Läuten hörte sich tatsächlich mehr als dünn an.
    Ein Bimmeln. Hohl. Auch verloren klingend. Vergleichbar mit dem Läuten einer Totenglocke. Zudem wurden die Anschläge noch durch den dünnen Dunst ein wenig gemildert, so daß mir der Klang eigentlich noch fremder vorkam, als er es ohnehin schon war.
    Ein leichter Schauer rieselte schon über meinen Rücken, weil ich den Vergleich mit der Totenglocke nicht aus dem Kopf bekam. War das Läuten so etwas wie eine Vorahnung, ein Omen, das einzig und allein auf mich gemünzt war?
    Ich wußte es nicht, und ich wollte mich auch nicht verrückt machen lassen, außerdem setzte sich das Läuten nicht fort. Es wurde leiser, und ein letztes Bimmeln drang noch an meine Ohren, dann war es wieder still.
    Der Bischof ließ sich nicht blicken. Ich war davon überzeugt, daß er die Glocke geläutet hatte und mich sicherlich hinter einem der Fenster stehend beobachtete.
    Ich ging langsam auf die Kirchentür zu. Sie war nicht

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