0994 - Unheil über Shortgate
in seinem gesamten Kopf aus.
Jedes Wort bekam er mit wie ein Donnerschlag.
»Heute nacht werden wir dich holen. Heute nacht kommen wir - die Todesengel…«
***
Vorbei, Schluß, Ende - nichts mehr. Die Leitung war tot. Kein Wort drang mehr an seine Ohren.
Aber Albert Sackett saß auf seinem Platz, als wäre er vom Blitz getroffen worden. Er konnte nicht mehr sprechen, er konnte kaum noch denken, er war einfach nicht in der Lage, irgendeinen Gedanken für sich zu fassen. Er starrte ins Leere, hielt den Hörer noch fest und spürte, wie er allmählich immer schwerer wurde, so daß er ihm schließlich aus der Hand rutschte und auf seinen Oberschenkeln liegen blieb.
In seiner Kehle kratzte es. Er spürte die Furcht wie eine Schicht auf seinem Körper liegen. Die Hände zitterten. Seine Augen waren groß geworden und der Blick leblos.
Holen wollten sie ihn. Da hatte er sich nicht verhört. Und er wußte auch genau, wer ihn holen würde.
Die Todesengel…
Er schauderte zusammen, als er daran dachte. Er stellte sich die Todesengel genau vor oder versuchte es zumindest, und er dachte dabei an die Mitarbeiterinnen, die tatsächlich von den Bewohnern insgeheim als Todesengel bezeichnet wurden.
Würden tatsächlich die Mädchen oder jungen Frauen bei ihm erscheinen, um ihn zu töten?
Als er daran dachte, durchrann ihn ein kalter Schauer. Sein Magen produzierte mehr Säure als üblich, und er litt darunter.
Er schluckte mehrmals hintereinander. Besser ging es ihm trotzdem nicht. Mit leeren Blicken starrte er auf seine Füße und dachte wiederum an das Versprechen.
Sie würden es bei ihm ebenso einhalten, wie sie es bei den anderen eingehalten hatten, die gestorben waren. Sie waren plötzlich und ohne Übergang verschwunden gewesen.
»Und nun ich«, flüsterte er, wobei er das Zittern in seiner Stimme nicht zurückhalten konnte. »Sie werden mich holen. Sie haben sich angekündigt und mir eine Galgenfrist gegeben…«
Seine Gedanken brachen ab. Albert Sackett war einfach nicht mehr in der Lage, sich näher damit zu beschäftigen. Außerdem wußte er nicht, was ihm bevorstand. Das konnte alles grauenvoll enden. Er konnte gefoltert werden, sie würden ihm die Zunge aus dem Mund reißen, denn die Todesengel waren brutal.
Das spielte sich in Alberts Phantasie ab. Was sie genau mit ihm vorhatten, war ihm unklar, aber es standeinfach fest, daß sie ihn holen würden, um ihn zu töten.
Ja, töten!
Er war alt. Aber nicht zu alt, um nicht noch einige Jahre leben zu können. Sein Herz war gesund, er fühlte sich auch insgesamt fit, und so entschloß sich der Mann, den Sessel zu verlassen. Er blieb stehen, und er dachte dabei zum erstenmal an Flucht.
Wie oft hatte er sich vorgestellt, wie es sein würde, wenn er sich aus dem Haus schlich, aber nie hatte er es gewagt, diesen Gedanken in die Tat umzusetzen.
Das war jetzt anders.
Albert ging mit steifen und staksig wirkenden Schritten auf die Tür zu. Er wollte sich nicht mal andere Schuhe anziehen oder den Wintermantel überstreifen. Einfach hinausgehen, das Haus verlassen. Vielleicht durch ein Fenster klettern oder den Weg durch die Vorratskammern nehmen, das ging auch.
Vorn kam er nicht raus. Da war die verdammte Loge Tag und Nacht immer besetzt.
Albert legte die Hand auf die Türklinke. Er wartete noch einen Moment. Bis auf das leise Summen des alten Heizkörpers war es still im Raum. Er schaute sich noch einmal um, weil er gegen das hohe Fenster sehen wollte.
Es war geschlossen.
Er sah dahinter auch keine Bewegung.
Dann erst drückte er die Klinke nach unten - und schrie Sekunden später jaulend auf, weil er das Gefühl hatte, von einem Stromstoß getroffen worden zu sein.
Das war nicht der Fall. Die Enttäuschung hatte ihn zu dieser Reaktion gebracht.
Die Tür war zu.
Abgeschlossen!
Aber von außen.
Also steckte er in der Falle!
***
»Haha, wer kommt denn da am frühen Morgen wie eine Schneeflocke in unser tolles Büro geschneit!« so begrüßte ich Jane Collins, die darüber nicht mal lächeln konnte und nur sagte: »Die Schneeflocke kannst du vergessen. Sieh mich eher wie eine Lawine an.«
Ich schaute gegen sie, wiegte den Kopf und erklärte ihr, daß es mir schon schwerfiel, sie als Lawine zu betrachten.
Jane winkte nur ab, zog die gefütterte Jacke aus und drehte sich der Tür entgegen, wobei ich auf ihren Rücken starrte. Auf der Schwelle stand Glenda Perkins.
»Hast du einen Kaffee für mich?«
»Auch zwei.«
»Danke.«
Die üblichen
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