Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0996 - Die Grabkriecherin

0996 - Die Grabkriecherin

Titel: 0996 - Die Grabkriecherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
Ich war neugierig geworden, drehte den Kopf und drückte mein Ohr gegen die kalte Grabwand.
    Die Laute blieben. Sie wurden weder lauter noch leiser. Sie drangen aus einer anderen Welt zu mir, in der sich bestimmt keine Menschen aufhielten.
    Mehr geschah nicht.
    Mein Kreuz schaffte es einfach nicht, das Tor und damit den Durchschlupf entstehen zu lassen.
    Auch als ich es bewegte und die Umrisse nachzog, passierte nichts.
    Nur das Jammern blieb.
    Ich zog das Kreuz wieder zurück.
    Kaum hatte es den Kontakt mit dieser Wand verloren, verstummten auch die Stimmen. Mich umgab wieder die Stille des Grabs, und ich hob den Kopf, um nach oben zu schauen.
    Suko saß dort. Nichts hatte sich verändert. Er schaute nach unten. Sein Gesicht erinnerte mich an eine blasse Fotografie.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Nichts?« fragte er.
    »Doch, aber ich komme damit nicht zurecht. Auch das Kreuz hat das Tor nicht geöffnet.«
    »Ja, das konnte ich sehen.«
    Ich ging wieder auf die Leiter zu. Die Blutsaugerin war verschwunden. Sie hatte uns tatsächlich reingelegt, und ich fragte mich jetzt auch, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn wir sie erledigt hätten. Dazu war es jetzt jedoch zu spät. Sie hatte uns alten Fahrensleuten das Nachsehen gegeben und uns gezeigt, daß wir nicht perfekt waren.
    Sehr langsam kletterte ich die Leiter nach oben, wo Suko mir die Hand entgegenstreckte.
    Ich stieg über den Rand, stand neben dem Grab und hob die Schultern. »Da haben wir wohl vorerst den kürzeren gezogen. Ich habe nichts gesehen, aber ich konnte etwas hören.«
    »Was denn?«
    »Stimmen«, sagte ich und schaute dabei zu Boden. »Leise, jammernde Stimmen. Handnah nur entfernt, aber trotzdem weit weg.« Ich hob die Schultern. »Anders kann ich es nicht erklären.«
    »Und sonst? Hast du was verstanden?«
    »Nein, auch das nicht. Es wurde ja nicht gesprochen. Es wurde nur gejammert: Als wären Seelen dabei, schreckliche Qualen zu erleiden, ohne sich befreien zu können.«
    »Seelen?« fragte Suko und zog dabei die Stirn kraus.
    »Ja.«
    »Das Fegefeuer?«
    Ich verzog die Mundwinkel. »Nein, nicht das Fegefeuer, sondern nur ein bestimmtes, wenn überhaupt.«
    »Da sprichst du in Rätseln.«
    »Ich weiß, Suko, es ist auch für mich ein Rätsel. Aber was soll ich machen? Ich habe keinen Hinweis bekommen. Ich hörte nur die Stimmen, als wären sie hier in der Tiefe der Friedhofserde vergraben. Mehr kann ich dir nicht sagen.«
    »Das paßt mir nicht«, murmelte er, »das paßt mir überhaupt nicht.« Er ließ seinen Blick über die anderen Grabstätten gleiten. »Ist dir schon aufgefallen, daß sie alle irgendwie gleich aussehen oder sich zumindest stark ähneln?«
    »Ich bin ja nicht blind.«
    »So meine ich das auch nicht. Ich denke nur daran, was wir sehen werden, wenn wir die eine oder andere Grabplatte zur Seite schieben.« Er schaute mich lauernd an. »Oder glaubst du daran, daß dort Tote liegen, wie man es gewohnt ist.«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Laß es uns versuchen.«
    »Okay.«
    Wir brauchten nicht lange nachzuschauen, denn nur wenige Schritte entfernt war das nächste Grabmal identisch. Wir gingen einmal herum. Es war Suko, der die Idee hatte, den Spalt abzuleuchten, wo beide Teile aufeinander lagen.
    Als ich sein Lachen hörte, schaute ich hoch. »Das ist gut, John. Alles deutet darauf hin, daß vor uns schon jemand den Deckel angehoben hat.«
    »Dann wird es ja leichter sein«, erklärte ich.
    »Komm.«
    Wir faßten den Steindeckel von zwei verschiedenen Seiten an. »Und - jetzt!« rief Suko.
    Es klappte, denn er war doch nicht so besonders schwer. Wir konnten den Deckel drehen. Es entstanden häßlich klingende Geräusche, als Stein über Stein glitt. Aber der Deckel wanderte und gab uns den ersten Blick in diese Grabstätte frei.
    War sie leer?
    Nein, das war sie nicht, denn wenn uns nicht alles täuschte, zeichnete sich auf dem Boden ein Schatten ab.
    Es war zu dunkel, um es genau erkennen zu können. Suko hielt die Lampe schon in der Hand. Bevor er den schmalen Strahl allerdings nach unten schicken konnte, hörten wir die leise, jammernde Frauenstimme.
    »Holt mich hier raus - bitte! Holt mich hier raus!«
    Sukos Oberkörper ruckte in die Höhe. Er starrte mich an. Ich sah, daß er blaß geworden war.
    »Was hast du?«
    »Verdammt, John, das ist Mandy…«
    ***
    Wir hatten das junge Mädchen mit dem schwarzgrauen Mantel und dem hellblonden Haar aus diesem Grab hervorgeholt und tatsächlich noch einige Knochen zur Seite räumen

Weitere Kostenlose Bücher