0996 - Die Grabkriecherin
Lachen allmählich leiser wurde und dann verstummte, wandte ich mich wieder an die Blutsaugerin. »Ich habe den Spaten gesehen. Er liegt nicht weit von der Lampe entfernt. Hol ihn und grab meinen Freund damit aus. Solltest du auf die Idee kommen und ihm zufällig das Spatenblatt in den Hals stoßen wollen, schieße ich dir eine geweihte Kugel durch den Kopf! Tu also, was ich dir sage.«
Was ich mit meinen letzten Worten meinte, ließ ich bewußt offen. Suko konnte ich gut verstehen, denn vor Jahren hatte ich mich mal in einer ähnlichen Lage befunden und war ebenfalls eingegraben worden. Da allerdings im Sand.
Die Blutsaugerin hatte erkannt, daß ihre Felle davongeschwommen waren. Sie mußte sich meinem Diktat beugen, was sie auch tat. So verrückt es sich anhörte, auch Vampire wollten leben. Dazu brauchten sie das Blut der Menschen. Um da heranzukommen, nutzten sie jede Chance.
Diese Person reagierte nicht anders. Ich blieb in ihrer Nähe, als sie ging, um den Spaten zu holen.
Ich kam mit der Existenz dieser namenlosen Blutsaugerin nicht zurecht. Ich wußte nicht, woher sie kam, ich kannte ihre Ziele nicht, und ich wunderte mich auch über ihr Aussehen, denn sie war eine verdammt schöne oder interessante Frau.
Halt eine Vampirin, die es aus mir nicht bekannten Gründen geschafft hatte, ihre Schönheit zu behalten, damit verbunden auch das menschliche Aussehen.
Ich ging ferner davon aus, daß die unbekannte Blutsaugerin von einem Geheimnis umgeben war. In ihr steckte etwas, mit dem ich nicht zurechtkam. Ich wußte aber, daß es dieses Geheimnis gab, nur war es für mich nicht zu fassen und wehte wie ein unsichtbarer Schleier über sie hinweg.
Sie tat genau das, was ich wollte. Mit dem Spaten in der Hand kehrte sie zu Suko zurück und hatte dort auch freie Bahn, weil ich das Kreuz mittlerweile aufgehoben und es in meine Jackentasche gesteckt hatte. Bevor sie begann, sprach ich sie noch einmal an. »Du kennst meine Warnung noch?«
Sie nickte.
»Dann los!«
Ich blieb in der Nähe stehen und zielte auf sie. Sollte ich feststellen, daß sie sich nicht an meine Anweisungen hielt, war es vorbei. Ich wollte sie aber nicht schon jetzt erledigen, denn ich wollte mehr über sie, das Grab und auch über gewisse Hintergründe erfahren.
Wider Erwarten ging sie sehr vorsichtig zu Werke, als sie anfing, die Erde um Sukos Kopf herum ein- oder abzustechen. Das Blatt des Spatens saß noch fest auf dem Stiel. Es ging alles glatt. Es gab keinen Ärger, und ich entdeckte auch die Erleichterung auf dem Gesicht meines Freundes.
Während der Erdhaufen um ihn herum immer mehr anwuchs, ging es auch Suko besser. Er hatte seinen Schock überwunden, auch wenn er noch blaß war, und er sprach mich an.
In kurzen, abgehackten Sätzen berichtete er von seinen Erlebnissen. So erfuhr ich auch von den vier Grufties, die sicherlich noch in der Nähe lauerten.
Drei junge Männer und eine Frau. »Und wo sind sie jetzt?«
»Frag mich was Leichteres, John.«
»In welcher Verbindung stehen sie denn zu ihr?«
Suko lachte karg auf. »Sie wollen so werden wie sie. Die Grufties verehren sie, und wenn mich nicht alles täuscht, haben sie unsere Freundin sogar mit Nahrung versorgt.«
»Das heißt Blut…«
»Angeblich Tierblut«, erklärte er voller Spott. »Aber so genau kann ich dir das nicht sagen. Ich habe es ihnen zunächst einmal abgenommen, das Gegenteil haben wir noch nicht bewiesen bekommen.«
»Weißt du mehr über sie?«
»Nein.«
»Ich auch nicht«, sagte ich leise, aber wir werden die Hintergründe noch erfahren.
Die Untote hatte sich nicht um unsere Gespräche gekümmert und weitergemacht.
Das Loch war schon ziemlich groß. Suko konnte bereits die Schultern bewegen. Aber noch immer wischte das helle Spatenblatt dicht an seinem Kopf vorbei, ehe es in die weiche, lehmige Erde stieß.
Das alles war nicht einfach, aber ein Blutsauger reagiert nicht wie ein Mensch. Erschöpfung trat bei ihm nicht auf. Da machte auch diese Person keine Ausnahme.
Ich hörte Sukos jubelndes Lachen, als er endlich seinen rechten Arm bewegen konnte. Er drückte ihn in die Höhe, bewegte sein Hände, stemmte ihn dann auf den Rand, während die Blutsaugerin weitermachte. Eine Szene beinahe zum Lachen, wenn ich auf den Rücken dieser Frau im Minikleid schaute, aber eine Viertelstunde zuvor war uns das Lachen im Hals steckengeblieben.
Von den vier Grufties ließ sich keiner blicken. Wahrscheinlich hatten sie vor, bis zum Erwachen des Opfers zu warten,
Weitere Kostenlose Bücher