0996 - Die Grabkriecherin
weiß ich eben nicht.«
»Du kannst es versuchen«, machte ich ihr Mut.
»Blut«, sagte sie leise, schaute dabei auf ihre Hände. »Wir sollten ihr Blut besorgen.«
Wieder schaute ich auf Suko. In seinem Gesicht lag die gleiche Verständnislosigkeit wie auf meinen Zügen. Damit kamen wir beim besten Willen nicht zurecht. Ich beugte mich vor, als ich sie ansprach. »Mandy«, sagte ich mit eindringlicher Stimme. »Ich will auf keinen Fall etwas beschwören, und ich möchte deine Worte auch nicht in Abrede stellen, aber Suko und ich haben uns mit Vampiren beschäftigt. Wir kennen sie. Wir wissen, was sie vorhaben und woher sie ihre Kraft für gewisse Taten nehmen. Eben durch das Blut der Menschen, das diese Wesen mit unvorstellbarer Grausamkeit rauben. Deshalb können wir es nicht fassen, daß ihr der Vampirin Blut besorgen solltet. Das will uns nicht in den Kopf. Das widerspricht allen Gesetzen.«
»Es ist aber so gewesen. Es war auch nicht einfach nur Blut, sondern ein besonderes.«
»Okay. Und welches?«
»Blut von einer bestimmten Person. Blut, das heilen soll. Deshalb wollte sie es haben. Sie wollte damit Verletzungen heilen. Sie hat gemeint, daß dieses Blut die Vampire unangreifbar macht. Sie wollte es in ihre Welt holen.«
Ho, das war viel auf einmal, wobei ich mich auf das Ende der Erklärung konzentrierte. »In ihre Welt?«
»Ja, sie ist nicht von hier.«
»Wo finden wir die Welt?«
»Das hat sie uns nicht gesagt.«
»Aber das Blut solltet ihr holen?« fragte Suko noch einmal nach.
»Ja.«
»Woher denn?«
»Aus London. Sie hat uns gesagt, daß es dort eine Frau gibt, die sich damit auskennt. Wir sollen hingehen und die Schale mit dem Blut stehlen…«
Ich hörte nicht mehr zu. Ich stand auch nicht mehr neben Mandy, war einige Schritte zur Seite gegangen und verfolgte meine Gedanken, denn die Aussagen des Mädchens hatten mich an etwas Bestimmtes erinnert, an einen Fall, den ich in London und auch in Italien erlebt hatte.
Heilendes Blut! Marcia Morano, die Frau mit den heilenden Händen, die man auch die Heilerin nannte. Ja, sie hatte mit dem Blut des Engels Doniel heilen können, und hätte es sie damals nicht gegeben, wäre ich möglicherweise nach dem Messerstich des Psycho-Killers Gates vor ihrer Wohnungstür verblutet.
Marcia hatte meine Wunde geheilt, und ich hatte weiterleben können wie immer.
In Italien war Marcia dann gestorben. Sie hatte dem schrecklichen Druck und diesem verfluchten Blut-Stigma nicht standhalten können. Beides hatte auf ihr zu schwer gelastet, und auch der Engel Doniel war nicht das gewesen, was man ansonsten von einem Engel kannte.
Marcia gab es nicht mehr. Auch von Doniel hatte ich nichts zu befürchten. Aber es gab noch das Blut, denn ich hatte es nicht vernichtet. Ich hatte es auch nicht an mich genommen, und soviel ich mich erinnern konnte, hatte Marcia es auch nicht bei sich gehabt, als wir uns auf die Reise in ihre Heimat Italien gemacht hatten.
Wo war es?
Diese Frage beschäftigte mich, als ich mich drehte und mich erneut an Mandy wandte. Sie sah mich kommen, und sie mußte das Gefühl haben, daß etwas passiert war, denn sie hockte auf der Stelle und krümmte ihren Oberkörper.
Als ich mich vor sie hinsetzte, lächelte ich ihr beruhigend zu. »Du brauchst keine Angst zu haben, Mandy, es ist schon okay, was du da gesagt hast. Ich weiß es genau, denn ich kenne das heilende Blut.«
Sie war stumm, schaute mich nur an. In ihren Augen schimmerte der Unglauben. »Du - du kennst es?«
»Ja, denn ich bin durch das Blut geheilt worden. Es ist kein Hirngespinst, das kannst du mir glauben.«
»Aber was will die Vampirin damit?« fragte Suko.
»Heilen!«
Er lachte mich aus. »Heilen? Wen denn? Irgendwelche Artgenossen? Verletzte Untote oder wie auch immer?«
»Siehst du eine andere Möglichkeit?«
»Das ist mir zu suspekt!« Suko blieb bei seiner Meinung. »Ich habe diese Marcia nicht erlebt, aber hast du nicht von ihren heilenden Händen gesprochen?«
»Das habe ich in der Tat.«
»Eben, John! Sie ist die Person mit den heilenden Händen gewesen. Nur sie konnte es einsetzen, und sie hat dir damit das Leben gerettet.«
»Du meinst, daß Duna es nicht schafft?«
»So ähnlich.«
»Für wen will sie dann das Blut haben? Wir können sie leider nicht fragen, weil sie verschwunden ist, aber ich denke schon, daß sie eine Chance sieht, sonst würde sie sich nicht einsetzen.«
»Stimmt auch wieder. Wobei du mir die Frage noch nicht beantwortet hast, wo die
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