1. Die Rinucci Brüder: Wenn golden die Sonne im Meer versinkt
vermutete.
„Schläfst du auch manchmal?“
„Nur wenn es unbedingt sein muss. Ansonsten …“ Evie hob hilflos die Hände.
„Ansonsten arbeitest du“, beendete Hope den Satz fü r sie. „Genauso habe ich es mir vorgestellt. Jedenfalls kommst du besser mit der Situation zurecht als er.“
„Du warst schon bei ihm, oder? Wie geht es ihm?“
„Gestern bin ich angekommen. Er arbeitet genauso viel wie du, bis spät in die Nacht. Das Telefon läutet ununterbrochen, und er schreit die Leute an.“ Hope seufzte. „Es ist schrecklich. Ehrlich gesagt, er kommt mit dem Leben überhaupt ni cht mehr zurecht, obwohl er davon überzeugt ist, er habe alles im Griff. In Wahrheit richtet er sich selbst zugrunde.“
„Nein, bitte nicht“, flüsterte Evie. „Mehr will ich gar nicht hören.“
„Du musst es aber erfahren, denn nur du kannst ihm helfen. Evie, ich bin hier, weil ich dich bitten möchte, zu meinem Sohn zurückzugehen. Du mus st es tun, sonst ist er am Ende.“ „Hope, ich habe ihn doch nicht freiwillig verlassen. Er hat mich weggeschickt, er wollte die Trennung.“
„Nein, das stimmt nicht. Er hatte nur das Gefühl, e r müsste dir zuliebe die Trennung vorschlagen, und glaubte, damit Stärke zu beweisen. Natürlich hat er wieder alles falsch gemacht. Er braucht dich und kann ohne dich nicht leben.“
„Da ist er anderer Meinung.“
„Dann musst du ihm klarmachen, dass er sich irrt. Du musst zu ihm zurückgehen und seine Einwände und Proteste ignorieren. Zieh bei ihm ein, und weigere dich, wieder auszuziehen. Bitte, Evie, tu mir den Gefallen. Es ist seine letzte Chance. Ich habe bisher nie etwas für meinen Sohn tun können, jetzt kann ich ihm endlich helfen. Und deshalb bin ich hier. Ich muss dich überzeugen, ihn nicht im Stich zu lassen.
Die Versuchung war groß, und Evie war nahe daran na chzugeben. Zu groß und zu
schmerzlich war die Sehnsucht nach Justin, die seit der Trennung ihr Leben zu beherrschen schien. Dennoch …
„Ich möchte dir gern helfen, doch ich kann es nicht “, antwortete sie verzweifelt. „Allzu gern wäre ich wieder mit ihm zusammen, Tag und Nacht, wenn ich nur …“
„Meinst du, ich hätte nie solche Sehnsucht empfunde n?“
Evie fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. „Ich könnte mir vorstellen, dass du genau weißt, wovon ich rede.“
„Stimmt. Als ich fünfzehn war, habe ich mich zum er sten Mal verliebt. Der Junge hieß Philip und war einige Jahre älter. Er war attraktiv und zü gellos und der Schwarm aller jungen Mädchen. Meine Mutter hat mich gewarnt. Sie hielt ihn für einen schlechten Menschen, weil er aus einer Familie mit mehreren Kleinkriminellen kam.
Das war mir jedoch egal. Ich war glücklich darüber, dass er sich ausgerechnet für mich interessierte, und habe alles gemacht, was er wollte. Damals habe ich noch an die unsterbliche Liebe geglaubt. Natürlich wurde ich schwanger, und er wollte nichts mehr von mir wissen. Danach habe ich erfahren, mit wie vielen anderen Mädchen er geschlafen hatte. Wenig später kam er ins Gefängnis.
Ledige Mütter wurden zu der Zeit noch nicht so akze ptiert wie heutzutage, und geholfen wurde ihnen nicht. Mein Kind wollte ich unbedingt behalten, denn ich liebte Philip immer noch. Ich malte mir in meiner Fantasie aus, wie ich ihn mit dem Kind im Gefängnis besuchen würde, und hoffte, er wäre ganz gerührt und würde m ich wieder lieben und nach seiner Entlassung mit uns zusammenleben.“
Sie seufzte, und Evie legte die Hand auf ihre. Hope nahm sie und drückte sie fest. So saßen sie eine Zeit lang schweigend da.
„Dann ist mein Sohn zur Welt gekommen, aber ich habe ihn nie gesehen“, fuhr Hope schließlich fort. „Man hat behauptet, er wäre bei d er Geburt schon tot gewesen. Seitdem habe ich um ihn getrauert. Als ich die Wahrheit erfuhr, war für mich alles noch schlimmer. Der Gedanke, dass er irgendwo lebte und ich ihn nicht sehen konnte, war unerträglich.
“
Jack Cayman zu heiraten, ohne ihn zu lieben, war natürlich ein Fehler. Er brachte seinen Sohn Primo mit in die Ehe, der für mich so etwas wie ein Ersatz für den Sohn war, den ich verloren hatte. Primo und ich standen uns sehr nah. Dann haben Jack und ich Luke adoptiert, und ich habe versucht, den beiden Jungen eine gute Mutter zu sein. Als ich jedoch Franco
kennenlernte und mich in ihn verliebte, funktionierte die Ehe nicht mehr. Franco war verheiratet, wir konnten nicht zusammenleben, aber ich wurde schwanger und bekam
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