1. Die Rinucci Brüder: Wenn golden die Sonne im Meer versinkt
bedankte sich bei Hope schriftlich für den her zlichen Empfang und die schöne Zeit in Neapel und erklärte ihr, warum sie den Schmuck nicht hatte behalten können.
So temperamentvoll, wie es ihre Art war, antwortete Hope:
Ihr beide habt den Verstand verloren. Ich will den Schmuck nicht, sondern die Schwiegertochter, die ich lieb gewonnen habe. Und ich will Eure Hochzeit organisieren und noch mehr Enkelkinder haben, wenn auch nicht unbedingt in der Reihenfolge. Den Schmuck bewahre ich in unserem Safe auf, bis Ihr wieder Vernunft angenommen habt.
Leicht belustigt las Evie die Zeilen, aus denen Zuneigung, Loyalität und auch Ärger darüber sprachen, dass sie und Justin es gewagt hatten, die in sie gesetzten Erwartungen nicht zu erfüllen.
Es wurde Herbst. Draußen wurde es immer kälter, und eines Tages schrieb Mark, sie würden Weihnachten in Neapel feiern.
Evie hätte die Feiertage bei ihrer Freundin Debra und deren Familie verbringen können, lehnte jedoch die Einladung dankend ab. Lieber war sie allein in ihrem Apartment geblieben und hatte gearbeitet, bis sie vor Erschöpfung einsc hlief. Immer wieder erinnerte sie sich an Debras Worte. „Ich hoffe, du verliebst dich eines Tages bis über beide Ohren in einen Mann, den du nicht haben kannst. Das wäre eine ganz neue Erfahrung für dich“, hatte sie gesagt. Es war nur ein Scherz gewesen, doch leider war es jetzt bittere Wahrheit.
An einem kalten Tag im Februar bekam sie unerwarteten Besuch: Mark stand vor der Tür. „Mark! Was für eine Überraschung!“, rief Evie aus. Sie umarmte ihn zur Begrüßung und ließ ihn an sich vorbei in die Wohnung gehen.
In den letzten sechs Monaten hatte der Junge sich verändert. Er war größer geworden und wirkte erwachsener. Am liebsten hätte sie ihm tausend Fragen gestellt, wie es ihm gehe, was sein Vater mache und dergleichen. Aber sie wartete, bis er in der winzigen Küche alles aufgegessen hatte, was sie ihm rasch zubereitet hatte.
„Du hast immer noch einen gesunden Appetit“, stellt e sie lächelnd fest. „Möchtest du noch ein Stück Apfelkuchen?“
Er nickte, und sie gab ihm ein großes Stück.
„Woher weißt du, wo ich wohne?“, fragte sie schließ lich.
„Du hast mir doch damals die SD-Karte für meine Kam era zurückgeschickt. Da hattest du deine Adresse angegeben. Ich habe sie mir aufgeschrieben. Wir wollten doch in Kontakt bleiben.“
„Stimmt. Erzähl mir, was es Neues gibt. Hattet ihr schöne Weihnachten?“
„Ja, es war wunderbar. Meine Großmutter ist lieb un d nett. Schade, dass du nicht dabei warst. Ich habe es mir so sehr gewünscht und gehofft, du w ürdest doch noch kommen. Leider wurde nichts daraus.“
„Mark, ich kann euch nicht in Neapel besuchen. Dein Vater und ich sind nicht mehr zusammen.“
„Ihr könntet es aber wieder sein“, wandte er ein.
„Nein, es würde nicht funktionieren. Ich bin für im mer aus seinem Leben verschwunden.“ „Aus meinem sollst du nicht verschwinden. Das will ich nicht. Deshalb bin ich hier. Du sollst zur Beerdigung kommen.“
„Wessen Beerdigung?“
„Mein Vater hat meine Mutter nach Hause bringen lassen. Er hat angefangen, mit mir über sie zu reden, und ich habe ihm gesagt, dass ich sie gern hierhätte. Deshalb wird sie jetzt auf dem Friedhof, wo du mich damals entdeckt hast, begraben.“
„Das freut mich für dich. Es war dein größter Wunsc h, oder?“
Mark nickte. „Ja, aber für meinen Vater war es nich t wichtig, und ich konnte ihm nicht erklären, was es für mich bedeutete. Er hat sich se hr verändert, Evie. Er hat viel mehr Verständnis für alles als früher.“
Das Gefühl der Wärme und Freude, das sie überkam, w ar beinah so etwas wie ein Glücksgefühl. Sie war sich völlig sicher, dass sie die Veränderung, die in Justin vorgegangen war, bewirkt hatte. Demnach war ihre Liebe nicht ganz vergebens gewesen.
„Übermorgen ist die Beerdigung. Kommst du, Evie?“, fragte Mark.
„Nein, das ist unmöglich.“
„Du musst kommen. Ohne dich hätte er das gar nicht gemacht.“
„Vielleicht habe ich einmal mit ihm darüber geredet , aber die Entscheidung hat er ganz allein getroffen.“
„Du hast ihn dazu gebracht.“
Sie schüttelte den Kopf. „Niemand kann ihn dazu bri ngen, etwas Bestimmtes zu tun.“ „Du kannst es. Er hört auf dich, obwohl er es abstr eitet.“
„Egal, ich komme trotzdem nicht zur Beerdigung. Die Familie deiner Mutter wird da sein und meine Anwesenheit vielleicht als störend
Weitere Kostenlose Bücher