1. Die Rinucci Brüder: Wenn golden die Sonne im Meer versinkt
gebrach t hatte und dann wegen irgendwelcher Geschäfte weggefahren war. Offenbar stürzte er sich genau wie Evie in die Arbeit, um nicht denken und den Schmerz nicht fühlen zu müssen.
Stets achtete sie darauf, ihre Antworten an Mark so zu formulieren, dass Justin, falls er sie las, daraus keinerlei Rückschlüsse ziehen konnte. Er sol lte nicht wissen, dass sie sich immer noch nach ihm sehnte, obwohl er die Beziehung und ihrer beider Glück so konsequent zerstört hatte. Es war kein Trost, dass Mark ihr in jeder E-Mail schrieb, sein Vater habe noch keine neue Freundin.
Im Frühling fuhr Evie zum ersten Mal wieder zu ihre m Cottage. Bisher hatte sie es gemieden, weil es zu wehgetan hätte, an den Ort zurückzukehre n, wo sie mit Justin zusammen gewesen war und wo alles angefangen hatte.
Aber jetzt mussten unbedingt einige Reparaturen durchgeführt werden. Sie kaufte sich ein kleines Auto und fuhr nach Penzance. Es war kalt und ungemütlich in dem Cottage, und alles erinnerte sie an Justin. In der kleinen Küche hatte er gekocht, und als sie auf dem Sofa eingeschlafen war, hatte er beim Aufwachen neben ihr gekniet und sie besorgt und liebevoll angesehen.
Auf dem Steinfußboden in dem großen Raum im Erdgesc hoss hallten ihre Schritte wie ein Echo wider, und während sie durch die Zimmer ging, überlegte sie, wie sie es hier aushalten sollte. Dennoch war sie entschlossen, nicht die Flucht zu ergreifen. Hier hatten sie sich geliebt, und sie konnte sich den Erinnerungen hingeben.
Obwohl das Wasser noch sehr kalt war, schwamm sie jeden Tag weit hinaus. Es war erfrischend, und danach war sie so müde, dass sie e inige Stunden schlafen konnte. Eines Morgens stand sie sehr früh auf und wagte sic h weiter hinaus als jemals zuvor. Als sie zurückschwimmen wollte, erlahmten ihre Kräfte, und sie hatte das Gefühl, immer weiter vom Strand wegzutreiben. Sekundenlang war nichts mehr wichtig, ihre Sinne verwirrten sich, und es wäre so leicht, sich hineinfallen zu lassen ins Vergessen …
„Evie!“, ertönte plötzlich eine Stimme von irgendwo her. Und dann noch einmal: „Evie!“ Sie nahm sich zusammen und erblickte dann die große , schlanke Gestalt, die am Strand stand und ihr aufgeregt zuwinkte. Das konnte nur Hope sein, auch wenn es eigentlich unmöglich war. Mit letzter Kraft schwamm Evie zurück. Doch al s sie wieder auf den Füßen stand, wurde ihr vor Erschöpfung schwindlig. Ohne zu zögern, lie f Hope in ihrem exklusiven
Designeroutfit auf sie zu, packte sie am Arm, legte sich Evies Arm um die Schulter und führte sie aus dem Wasser.
Evie ließ sich in den Sand sinken und sah Hope an, die sich über sie beugte und entnervt erklärte: „Du bist genauso unmöglich wie er!“
Später, nachdem Evie geduscht und sich angezogen hatte und es im Cottage angenehm warm war, forderte Hope sie energisch auf: „Setz dich, und iss etwas.“
Ihre Sachen hatte sie zum Trocknen aufgehängt und Evies Morgenmantel übergezogen, ehe sie in der Küche aus den vorhandenen Vorräten ein k östliches Essen zubereitet hatte. Sie ist die geborene Hausfrau und Mutter, dachte Evie und ließ es sich schmecken. Dass Hope keine Ruhe geben und früher oder später eingreifen würde, hatte sie die ganze Zeit geahnt. „Ärgerst du dich über meinen Besuch?“, fragte Hope, während sie sich an den Tisch setzte und sich eine Tasse Tee einschenkte.
„Nein, im Gegenteil, ich freue mich, dich zu sehen. Aber ich habe gedacht, du seist in Italien bei Mark.“
„Mein Enkel braucht mich momentan nicht, denn die ganze Familie kümmert sich um ihn. Mein Sohn braucht mich, deshalb bin ich in England. Und du brauchst mich auch.“ Evie lachte auf. „Oh, ich komme ganz gut zurecht.“
„So?“ Hope betrachtete sie skeptisch. „Vorhin da dr außen hatte ich nicht den Eindruck.“ „Ich war nur etwas erschöpft und außer Atem.“
„Das mag sein. Ich bin mir jedoch sicher, dass deine Gedanken in eine gefährliche Richtung gewandert sind.“
Evie fühlte sich durchschaut. „Okay, wenn es so war , dann nur für wenige Minuten“, gab sie zu. „Ich habe mich wieder zusammengenommen.“
„Das stimmt. Du bist ja eine Frau, und wir Frauen nehmen uns immer zusammen. Die Männer hingegen …“ Sie verstummte und zuckte die Schultern . Dann sah sie sich in dem großen Raum aufmerksam um und betrachtete den unaufgeräumten Schreibtisch mit den Büchern und den verschiedenen Lexika. Ihr entging nichts, und sie begriff alles, wie Evie
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