1 Fatale Bilanz - Ein Hamburg-Krimi
bitten sollte. Bei einem Becher Kaffee, der Ersatz für das ausgefallene Mittagessen war, wog er erneut das Für und Wider ab. Er hatte sich in der Einschätzung der Situation getäuscht und sich bei Alex entschuldigt, aber ihm gefiel nicht, wie sie sich auf die Sache mit ihrem Ex-Chef stürzte, und solange er nicht überblicken konnte, worum es bei dieser Reedereigeschichte eigentlich ging, zögerte er. Wohl wissend, dass Alex begeistert gewesen wäre.
Plötzlich spürte er Marks prüfenden Blick.
»Wirst du ungeduldig?«
»Auch, aber im Moment überwiegt die Ratlosigkeit.«
»Was sagt dein Gefühl?«
»Das etwas faul ist und wir zu blind sind, um es zu sehen, obwohl es vor uns liegt.«
»Dann werden wir so lange weitersuchen, bis wir es finden.«
Marks Entschlossenheit gefiel ihm. Er verschob die Grübeleien über Alex auf einen späteren Zeitpunkt und wandte sich seinem Notebook zu.
»Gilt deine Einladung zum Grillen noch?«, erkundigte sich Mark unerwartet.
Damit hatte er jetzt nicht gerechnet. Eigentlich hatte er Mark nur pro forma eingeladen, da er dessen distanziertes Verhalten respektierte, ihn aber nicht übergehen wollte, als sich Holger quasi selbst eingeladen hatte. Erwartungsgemäß hatte Mark dankend abgelehnt.
»Natürlich. Schön, wenn es jetzt doch passt.«
Holger quittierte Marks Meinungsänderung mit wenig Begeisterung. »Klasse, während ich übermorgen bei angekündigten dreißig Grad im muffigen Wohnzimmer meiner Schwiegereltern sitze, haut ihr euch die Bäuche mit Bier und Steaks voll.«
Das hätte Holger klären sollen, ehe er Dirk die Einladung abgerungen hatte. Dirk verkniff sich eine entsprechende Bemerkung und verbarg, dass er den Abend weitaus lieber mit Mark als mit Holger verbrachte.
»Ich habe es!« Aufgeregt wedelte Holger mit einem Blatt. »Hier waren zwei Seiten zusammengeklebt. Dieser Beleg gehört gar nicht zu den Gehaltsbuchungen und sollte garantiert nicht in diesem Ordner abgelegt werden.«
Dirk schnappte sich den Ausdruck. 500.000 Euro waren auf dem gesuchten Girokonto der Reederei eingegangen. Er schob Mark das Papier zu.
»Noch interessanter als die Tatsache, dass hier erstmals das Konto auftaucht, ist die Herkunft des Geldes.«
Holger winkte geringschätzig schnaubend ab.
»Das ist doch nur irgendein anderes Konto bei der Hamburger Bank.«
»Nein, ist es nicht. Das ist ein internes Konto der Bank, die beginnen dort alle mit 70. Ich weiß jetzt, warum wir das Girokonto der Reederei bisher nirgends gefunden haben.«
»Wie meinst du das?« Der Amerikaner zeigte zum ersten Mal Ungeduld.
»Wir wissen jetzt hundertprozentig, dass das Konto existiert und benutzt wird. Was ist, wenn uns einfach die Berechtigung fehlt, uns das Konto anzusehen?«
»Das bekomme ich raus.« Das leise Klicken von Marks Tastatur war das einzige Geräusch im Raum. »Hier.« Kurzes Schweigen, dann ein englischer Fluch. »Wir haben auf sämtliche Daten im Buchhaltungssystem Zugriff, nur ein Konto ist manuell ausder Berechtigung entfernt worden. Mist, ich hätte das früher überprüfen müssen.«
»Vergiss es, wir hätten alle eher auf die Idee kommen können. Ich mache den Job schon so lange, und bin noch nie darauf gekommen, das zu checken. Ist wirklich nur ein Konto ausgeschlossen?«
»Ja. Wieso?«
»Weil wir damit den nächsten Ansatzpunkt haben und den Saldo des Kontos kennen.« Seine Kollegen blickten ihn ratlos an. »Na kommt, wir wissen jetzt, woher das Geld kommt und auch, dass es sofort weitergeleitet wird. Wir müssen nur noch herausbekommen, wo es hingeht. Und natürlich, wer dafür verantwortlich ist.«
Mark verstand ihn sofort, aber da Holger weiter ratlos wirkte, war eine Erklärung erforderlich.
»Ein Konto haben sie uns unterschlagen, aber die Bilanz geht auf. Damit muss das Konto einen Saldo von null haben. Wäre auf dem Konto Geld drauf, wäre die Bilanz im Ungleichgewicht, und das wäre uns aufgefallen.«
Dirk wartete, bis Holger nickte.
»Gut, dann telefoniere ich mit Alex, und Mark bekommt heraus, wer sich hinter der Benutzerkennung verbirgt. Schaffst du das?« Er tippte auf drei Buchstaben in der Kopfzeile des Belegs, die für denjenigen standen, der sich den Umsatz angesehen und ausgedruckt hatte.
»Offiziell nicht, aber ich denke schon. Willst du mit deiner Frau über die Sache hier sprechen?«
»Ja. Sie war früher bei der Hamburger Bank. Vielleicht kennt sie das Konto oder weiß, wie wir da rankommen.«
»Meinetwegen. Aber Handygespräche können
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