1 Fatale Bilanz - Ein Hamburg-Krimi
noch in Deckung gehen.
»Na, dann lass mal hören.«
»Ich komme zwar in der Bank nicht an Kundenkonten ran, aber wenn ich morgen dort bin, sehe ich mir den Raubtierfonds an. Diskutier gar nicht erst mit mir. Ich muss mich jetzt sowieso um deinen Sohn kümmern. Bis heute Abend – und such schön.«
Er wusste nicht, ob er über ihr Angebot dankbar oder entsetzt sein sollte. Letztlich tat sie genau das, worum er sie hatte bitten wollen. Doch es blieb ein schlechtes Gefühl.
Um Zeit zu gewinnen, ignorierte er Marks fragenden Blick.
»Hast du herausbekommen, wer sich den Beleg angesehen hat?«
Mark nickte langsam. »Hab ich, zweimal überprüft, aber das Ergebnis bleibt dasselbe: Michael Warden.«
Der ehemalige Geschäftsführer der Reederei und Sohn des Firmengründers war seit zwei Jahren tot. Dirk stand auf, um selbst einen Blick auf Marks Monitor zu werfen. Am Ergebnis änderte das nichts. »Dann sollten wir den Fall abgeben.«
Holger nickte heftig. »Finde ich auch.«
Das hatte er nicht gemeint, aber durch Holgers Unterbrechung hatte sein Scherz eine falsche Richtung eingeschlagen, und Marks Missbilligung war eindeutig. Ehe es zu einem ernsthaften Missverständnis kam, pfiff Dirk die Titelmelodie von »Ghostbusters«. »Die meinte ich.«
Marks Lächeln blitzte wieder auf. »So schnell bringt dich wohl nichts aus der Fassung, was? Verrätst du uns, was deine Frau gesagt hat?«
»Das Geld kommt von einem Konto, das offiziell eine völlig nichtssagende Bezeichnung hat: ›sonstiger Aufwand für irgendwas‹. Intern wird es ›Raubtierfonds‹ genannt, verfügungsberechtigt sind Vorstandsmitglieder, Alex, als sie noch ihren alten Job hatte, und natürlich ihr Ex-Chef. Sie kann sich nicht erinnern, dass jemals dermaßen hohe Beträge darüber gebucht worden sind, normalerweise ging da nur Kleinkram rüber. Beratungskosten im Zusammenhang mit geheimen Fusionsverhandlungen, Geschäftsessen mit Politikern und so was. Alles, was nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Für mich steht damit fest, dass irgendjemand bei der Hamburger Bank falsch spielt und offizielle Nachforschungen dort können wir endgültig vergessen. Uns bleiben nur …«
Holgers kritischer Blick ließ Dirk nach einem unverfänglichen Wort suchen.
»… unkonventionelle Wege, um die erforderlichen Informationen zu bekommen.«
Er erklärte den beiden Alex’ Vorhaben. Bei der Erwähnung des Zugangscodes sah Holger auf einen Ordner. Trotz Holgers Stöhnen griff er nach dem Ordner und schlug ihn auf.
»Punkt eins ist erledigt. Wie Alex vermutet hat, steht hier feinsäuberlich ein sechsstelliger Code. Heute Abend sehen wir uns das Konto an.«
»Sekunde.« Holger schlug den Ordner demonstrativ wieder zu. »Ich finde, wir sollten die Angelegenheit der Polizei überlassen. Abhörsichere Handys, merkwürdige Umsätze, eine Spur, die in die Hamburger Bank führt, und ein illegaler Zugriff auf ein Konto von uns … Das geht zu weit.«
»Wieso illegal? Wir sind berechtigt, die Buchhaltung der Reederei in sämtlichen Punkten auseinanderzunehmen.« Dirk fehlte die Geduld, sich auf eine weitergehende Diskussion mit Holger einzulassen. »Mich interessiert noch etwas anders. Mark, wenn du herausbekommen hast, dass angeblich Michael Warden den Beleg ausgedruckt hat, kannst du auch herausfinden, was dieser Geist sonst noch so macht und von wo aus er sich einloggt?«
»Schon erledigt. Unser Geist ist regelmäßig an zwei Tagen im Monat aktiv. Er arbeitet pünktlich um achtzehn Uhr für jeweils fünfzehn bis zwanzig Minuten im Buchhaltungsprogramm.«
»Was macht er?«
»Er gibt Überweisungen ein.«
»Und von wo aus macht er das?«
»Da bin ich noch dran. Ich habe die IP-Adresse seines Rechners, aber herauszubekommen, wo der steht, wird schwierig. Ich muss mir erst Zugang zur Systemebene verschaffen.«
Holger verzog das Gesicht, als hätte er Zahnschmerzen. »Ihr wisst schon, dass wir Wirtschaftsprüfer und keine Hacker sind – dachte ich jedenfalls.«
Mark wartete, bis sich Holger mit einem gemurmelten Fluch verabschiedet hatte. Angeblich, um Kaffee zu holen.
»Was hast du noch vor?«
»Gar nichts. Ich bin ein ehrbarer Wirtschaftsprüfer. Allerdings ist meine Frau morgen bei einer Veranstaltung in der Hamburger Bank, und sie wird es sich nicht ausreden lassen, ein Blick auf diesen Raubtierfonds zu werfen.«
»Ehrbarer Wirtschaftsprüfer?«
»Abhörsicheres Handy?«
6
Sven ließ seine schwarze Yamaha vor Alex’ Haus ausrollen, nahm
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