1 Fatale Bilanz - Ein Hamburg-Krimi
seine Beziehungen hattest du nie eine Chance.«
»Sie haben mir nicht einmal mitgeteilt, wo unser kleines Mädchen hingekommen ist. Erst mit Hilfe ihrer Kinderärztin und Sharas Kollegen aus dem Krankenhaus haben wir erfahren, dass sie adoptiert wurde. Ich bin gleich misstrauisch geworden, wie still und heimlich alles vonstattenging. Anja und Hendrik …«
»Wer?«
»Zwei Kollegen von Shara, mit denen sie eng befreundet ist. Zusammen haben wir herausgefunden, dass Kranz Sharas Freund war. Sie hatte endlich ihren Stolz überwunden und Unterhalt für Rami gefordert, weil sie mehr Zeit für sie haben wollte. Das hat ihm wohl nicht gepasst. Die Polizei hat sich nie für unsere Theorie interessiert. Denen war das einfach egal.«
In Ems Gesicht fand er die gleiche Wut, die ihn bewogen hatte, sich Kranz persönlich vorzunehmen.
»Keine Angst, er wird seine gerechte Strafe bekommen.«
»Ja, das glaube ich dir, und darüber freue ich mich auch. Besser keinen Vater als so einen. Wenigstens ist seine Frau ganz anders. Ich habe losen Kontakt zu Laura und hätte mich zu gern enger mit ihr angefreundet, hatte aber Angst, dass ihr Mann herausfindet, wer ich bin. Aber so habe ich aus der Entfernung miterleben dürfen, wie aus unserem Baby ein junges Mädchen geworden ist.« Mit einer fahrigen Geste fuhr sich Em über die Augen.
»Dann liegt es vermutlich an Laura Kranz, dass Rami einen glücklichen Eindruck macht. Weißt du, wie er sie dazu bekommen hat, Rami zu adoptieren?«
»Ja. Angeblich war Ramis Vater einer seiner besten Freunde und ist zusammen mit seiner Frau bei einem Autounfall in der Nähe von München ums Leben gekommen. Als Ramis Pate betrachtete er es als seine Pflicht, das Mädchen zu sich zu nehmen. Laura ist da natürlich sofort drauf eingegangen. Sie ahnt nicht, dass Rami in Wirklichkeit die leibliche Tochter ihres Mannes ist. Sie liebt Rami. Daran besteht kein Zweifel, und daran hat sich auch nichts geändert, als sie noch ein eigenes Kindbekommen hat. Ich weiß nicht, wie du das alles herausgefunden hast. Aber eine Sache hast du übersehen.«
Em holte tief Luft und rang sichtlich nach den richtigen Worten. Obwohl er fließend deutsch sprach, hatte Mark plötzlich Probleme, den Sinn ihrer Erklärung zu begreifen.
13
Alex genoss jede Minute der Fahrt. Sie war in diesem Sommer viel zu selten mit dem Motorrad unterwegs gewesen und hatte gar nicht bemerkt, wie sehr sie die schnelle Jagd über die Landstraßen vermisste. Dirks missmutige Miene zum Abschied hatte ihr ausgesprochen gut gefallen. Schadenfreude war eben doch die schönste Freude. Sollte ihr Mann ruhig grübeln, warum sie sich mit Mark treffen wollte.
Auf der B75 zwischen Reinfeld und Bad Oldesloe verschärfte Alex ihr Tempo. Hier kannte sie jede Kurve und ignorierte die Schilder am Straßenrand, die ihr eine andere Geschwindigkeit vorschrieben. So ein Schwachsinn, seitdem die Asphaltdecke erneuert worden war, hatten die Behörden die erlaubte Geschwindigkeit heruntergesetzt. Vorher war es offensichtlich kein Problem gewesen, mit 100 km/h über Schlaglöcher und Risse zu fahren. Nachdem sie das Ortsschild von Bad Oldesloe passiert hatte, zwang sie allerdings ein Kreisel, die Geschwindigkeit zu drosseln. Aber innerhalb geschlossener Orte war sie eh vorsichtiger unterwegs. Ihr Motorrad rumpelte über die Bahnschienen und wenig später fiel ihr Blick auf ein blaues Schild mit der Aufschrift »Polizei«. Ihr schlechtes Gewissen meldete sich. Es hatte durchaus etwas Kindisches, sich unbedingt allein mit Mark zu treffen. Sie verzichtete lieber darauf, sich vorzustellen, wie ihr Verhalten auf den Amerikaner wirken mochte, aber die Einsicht kam zu spät. Sie hielt sich rechts und fuhr Richtung Tralau.
Sie hatte das letzte Neubaugebiet der Kreisstadt noch nicht ganz hinter sich gelassen, als im Rückspiegel ein Motorradfahrer auftauchte. Die schwarze Maschine überholte mit einem Wahnsinnstempo, dennoch erkannte sie das Nummernschild. Mark. War er verrückt geworden, hier so langzujagen? Sie selbst fuhr schon nicht langsam, aber sein Fahrstil grenzte an Selbstmord.
Die Straße wurde enger und zwang sie, das Tempo weiter zurückzunehmen. Von Mark keine Spur. Das gab’s doch gar nicht. Mit einem unguten Gefühl erreichte sie den auf einem Berg gelegenen Fernsehturm. Eigentlich kannte sie Mark überhaupt nicht, aber jetzt umzukehren kam nicht in Frage. Dirks Spott würde sie nicht überleben, außerdem schien Dirk viel von Mark zu halten, und auf seine
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