1 Fatale Bilanz - Ein Hamburg-Krimi
musst.«
Während Dirk mit der Taschenlampe den Motor beleuchtete, befestigte Sven problemlos das abgerissene Zündkabel am Motorblock der Yamaha.
»Fährst du heute noch zu Britta?«
»Nein, bis ich hier fertig bin, ist es früher Morgen. Warum?«
»Na ja, ich dachte nur …« Unsicher fuhr er sich mit der Hand durch die Haare und setzte neu an. »Versteh das jetzt nicht falsch, ich weiß ja nicht, wie das für dich war. Aber wenn du heute Nacht nicht alleine sein willst, dann komm einfach bei uns vorbei. Egal wie spät es ist.«
Das Angebot überraschte Sven, und er wusste nicht, was er dazu sagen sollte.
»Danke.«
Mehr schien Dirk nicht erwartet zu haben. Er nickte und zog seine Handschuhe an. Während Sven dem Streifenwagen entgegenging, musste er daran denken, wie er Mark und Dirk am Morgen beobachtet hatte. Er wusste zwar noch nicht, für wen Mark und Jake arbeiteten, aber zwischen ihm und Dirk schien sich eine Freundschaft anzubahnen.
20
Um kurz nach zwei Uhr nachts war die Gegend um das Hamburger Polizeipräsidium so gut wie ausgestorben, und kaum eines der zahlreichen Büros war noch erleuchtet. Tagsüber wäre es undenkbar gewesen, auf dem Fußweg unmittelbar vor dem Gebäude zu halten, jetzt störte sich niemand daran. Joachim Kranz fragte sich, was er hier eigentlich wollte. Als er losgefahren war, hatte er die Uhrzeit nicht beachtet und war sich seiner Sache sicher gewesen. Jetzt sah es anders aus.
Seine Hand zitterte, und nur mühsam widerstand er der Versuchung, mit einer weiteren Tablette diesen Alptraum zu verdrängen. Er hätte Springers Wunsch nach einem Treffen ablehnen müssen, schließlich betrafen ihn die Probleme der Reederei nicht. Diese Erkenntnis kam zu spät.
Immer noch glaubte er den kalten Blick des grauhaarigen Mannes zu spüren und dessen emotionslose Stimme zu hören. Die Anweisung war eindeutig gewesen. Eine unschuldige Frau und ein Kind sollten sterben. Der Profit hatte bei ihren gemeinsamen Geschäften stets im Mittelpunkt gestanden, damit konnte er leben. Aber Mord?
Ein Motorradfahrer stoppte direkt vor dem Eingang und nahm den Helm ab. Sven Klein.
Vielleicht war das ein Wink des Schicksals, und er sollte mit ihm reden. Kranz öffnete die Fahrertür, aber das Klingeln seines Handys hielt ihn vom Aussteigen ab. Wieder Springer. Die Versuchung war groß, ihn zu ignorieren. Wider besseres Wissen nahm er das Gespräch an.
»Tu es nicht. Nicht nur du wärst tot, sondern auch deine Familie. Du hast doch vorhin gehört, dass sie keine Rücksicht auf Frauen und Kinder nehmen. Ist es dir das wert?«
Kranz brachte keinen Ton hervor.
»Sie dich um.« Hinter ihm, an der Kreuzung zur Hindenburgstraße blendeten die Scheinwerfer eines Autos auf. »Sayeed hat geahnt, dass du die Nerven verlierst. Betrachte es als letzten Freundschaftsdienst, dass ich deinen Ausflug für mich behalte.«
Ein Klicken, die Verbindung war unterbrochen. Kranz ließ den Kopf aufs Lenkrad sinken. Zumindest hatte er es versucht.
Sven quälte sich gähnend aus seinem BMW. Die Ereignisse der letzten Nacht gingen ihm nicht aus dem Kopf. Auf der Habenseite verbuchte er, dass sein Verhältnis zu Mark und Dirk geklärt war und zwar ausgesprochen positiv. Auf der Sollseite nahmen allerdings die offenen Fragen ein beängstigendes Ausmaß an.
Irgendwann war er vor dem Fernseher eingeschlafen. Gegen fünf Uhr hatte ihn das betont fröhliche Geplapper des Moderators eines Frühmagazins geweckt. Sein Nacken war von den Stunden auf der Couch noch immer verspannt, und zum ersten Mal seit er im Präsidium arbeitete überlegte er ernsthaft, den Fahrstuhl zu benutzen, entschied sich aber dagegen. Auf dem Weg zu seinem Büro schaltete er sein Handy ein. Für ein paar Stunden hatte er sich erfolgreich von der Außenwelt zurückgezogen, jetzt konnte er sich nicht länger vor den notwendigen Antworten drücken – wohl aber die entgangenen Anrufe ignorieren. Er versuchte, Britta anzurufen. Vergeblich. Sie war weder in ihrer Wohnung noch auf dem Handy zu erreichen.
Frank Placieksky, der Kollege aus dem Nachbarzimmer, kam aus seinem Büro gestürzt und versperrte ihm den Weg.
»Halt, Sven. Mensch, ich versuche, dich seit Ewigkeiten auf dem Handy zu erreichen.«
»Was ist denn?«
»Wegen deiner Aktion im Hafen ist der ganze Laden in Aufruhr. Die Zeitungen haben auch schon was gebracht.«
»Dann lies es dir da durch. Mit Einzelheiten muss ich im Moment passen.«
»Darum geht es nicht. Erstmal bin ich froh, dass du
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