1 Fatale Bilanz - Ein Hamburg-Krimi
tat Alex nichts, um Tim zu beruhigen?
Eine ungewohnte Benommenheit lähmte seine Gedanken und Glieder. Aufstehen, um Tim zu beruhigen, war eine unüberwindliche Herausforderung, aber er begriff nicht, wieso. Irritiert wollte er mit der Hand an seine schmerzende Stirn fassen, aber er konnte sich nicht bewegen.
Schlagartig begriff er, was vor sich ging. Seine Hände waren auf dem Rücken gefesselt. Adrenalin schoss durch seinen Körper und vertrieb die Benommenheit. Die Erinnerung kehrte zurück. Der Lieferwagen. Oh Gott. Alex, Tim! Panik machte sich in ihm breit, und er schluckte hart, um die aufsteigende Übelkeit in den Griff zu bekommen.
In der Dunkelheit konnte er nichts erkennen. Ein schwacher Lichtschein drang durch die Trennung zwischen Fahrerkabine und Ladefläche. Damit hatte er die Gewissheit, dass er sich in dem Lieferwagen befand. Das Fahrzeug war mit relativ hoher Geschwindigkeit unterwegs, wahrscheinlich auf einer Autobahn, wenn er die Geräusche und das gleichmäßige Fahrverhalten richtig deutete.
Das Kindergeschrei wurde zu einem leisen Schluchzen.
»Bist du wach? Wie geht es dir? Was ist hier los?«
Das war Britta, nicht Alex.
Dann ging es nicht nur um ihn, sondern auch um Sven. Doch ehe er sich um Britta kümmern konnte, musste er sich in den Griff bekommen. Die Worte eines Trainers kamen ihm in den Sinn: Angst ist in Ordnung und schärft die Sinne, Panik kostet Kraft und führt zu Fehlern. Als sich sein Puls annäherndnormalisiert hatte, wälzte er sich herum, bis er mit dem Rücken gegen eine Wand stieß, und brachte sich in eine sitzende Position.
»Was ist passiert?«
»Es hat geklingelt, und ich dachte, es wäre Sven. Stattdessen standen zwei Männer mit Pistolen vor mir und wollten, dass ich mitkomme. Ich konnte nur noch nach der Wickeltasche für Jan greifen. Dann eine kurze Fahrt und eine ewig lange Wartezeit, bis sie dich in den Wagen gehievt haben. Was geht hier vor? Was wollen die von uns? Dirk, ich habe Angst.«
Er auch, aber das gab er besser nicht zu. Als er die Knie anzog, um sich bequemer hinzusetzen, fühlte er einen Gegenstand an der Hüfte. Sein Handy. Perfekt. Er musste es nur noch in die Hand bekommen.
Vorsichtig versuchte Dirk, die Arme zu bewegen. Die Mistkerle hatten Plastikhandschellen benutzt, die ihm nur wenige Zentimeter Spielraum ließen. Aber dank des regelmäßigen Trainings war er beweglich genug, um die gefesselten Hände über die Hüften nach vorne zu bringen. Schwer atmend lag er auf dem Boden. Schweiß rann ihm den Rücken hinunter, und das Plastik hatte sich so tief in seine Haut geschnitten, dass er blutete. Aber das war es wert. Er kam an sein Handy, schaltete es ein. Und jetzt? Ein Anruf wäre sinnlos. Er schaltete das Gerät auf stumm. Es wäre ein Alpraum, wenn den Entführern das Telefon durch einen Anruf doch noch auffiel. Mark oder Sven konnten über das Handy mühelos seine Position ermitteln. Allerdings mussten sie erstmal wissen, dass er Probleme hatte, und zwar gravierende.
Er tippte eine kurze SMS und schickte sie auf Marks Handy. Der Eingang wurde sofort bestätigt. Gut. Mehr konnte er nicht tun.
Plötzlich legte sich eine Hand auf seinen Oberschenkel. Er schrak zusammen. Britta war zu ihm herübergekrochen.
»Wieso telefonieren wir nicht? Wir könnten Sven anrufen und …«
»Die wissen schon Bescheid. Ich hab ihnen eine SMS geschickt. Sie können das Handy anpeilen und wissen dann, wo wir sind. Wir müssen einfach nur ruhig bleiben, bis sie uns rausholen.«
Leichter gesagt, als getan. Aber zumindest Britta schien ein wenig beruhigter zu sein.
»Wieso ›sie‹? Wer denn noch außer Sven?«
Er beugte sich vor und senkte seine Stimme zu einem Flüstern. »Egal, was sie tun oder von uns fordern, wir dürfen immer nur von Sven sprechen. Wenn sie von Mark erfahren, sind wir sofort tot. Frag jetzt nicht, ich erkläre dir alles später.«
»Ich versteh schon.« Brittas Stimme zitterte, aber Hauptsache, sie hatte begriffen, dass die Terroristen unter keinen Umständen von der Beteiligung der Amerikaner erfahren durften.
»Kannst du das Handy irgendwo verstecken? Wenn sie mich durchsuchen, ist es weg.«
»Gib her.«
Britta hantierte mit ihrer Wickeltasche und er konnte nur hoffen, dass sie ein sicheres Versteck gefunden hatte.
Mit quietschenden Reifen kam Sven quer hinter Dirks BMW zum Stehen. Marks Miene bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen. Der Amerikaner hob beiläufig die Hand und telefonierte weiter. Das Wenige, das
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