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1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

Titel: 1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra van Laak
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Taschenrechner, Papier und Bleistift, seufzend, den Kopf in die Hände gestützt, vor mich hin murmelnd. Was mir immer half, war der Satz eines damals mit uns noch befreundeten Rechtsanwalts und Notars.
    Ich saß nach dem vollständigen Zusammenbruch des Firmenimperiums bei ihm in der Kanzlei – fremde Menschen fotografierten derweil unser Haus, der VW-Bus war mir auf offener Straße weggepfändet worden (»Bitte steigen Sie aus, das Auto gehört Ihnen nicht mehr.«), das Motorrad meines Mannes wurde dezent vom Grundstück geholt. Ich war völlig gelähmt vor Erschütterung und versprach mir von dieser Kurzberatung durch den Anwalt Orientierung in dem ganzen Desaster, eine zielführende Einschätzung, die mir mein eigener Mann nicht geben konnte oder wollte. Diese Kurzberatung hat der Rechtsanwalt und Notar, Herr N., nie berechnet, und es sollten noch einige folgen, mit denen er es ebenso hielt.
    »Bedenken Sie, Frau van Laak«, fing Herr N. an und leitete damit einen der wichtigsten Sätze in all den Jahren für mich ein, »bedenken Sie, es geht nur um Geld!«
    Niemand habe einen anderen körperlich verletzt oder umgebracht, es sei nichts abgebrannt, alle seien gesund, die Kinder würden sich gut entwickeln, es gäbe keine strafrechtlichen Geschichten, es ginge nur um Geld, nichts weiter. Er hatte recht.
    Am Küchentisch sitzend und rechnend, wusste ich plötzlich: Ich würde das Cello verkaufen. Eigentlich war es ganz leicht. Es ging nur ums Geld.

    »Ein Musikinstrument verkauft man nicht einfach so.« Der Geigenbauer Wüstrow, dem ich das gute Stück vorstellte, um es schätzen zu lassen, war deutlich verstimmt.
    »Warum wollen Sie dieses gute Cello verkaufen?«, brummte er. »Sie haben doch Kinder, die werden früher oder später darauf spielen.«
    Ich erklärte ihm, dass ich Geld brauchte und bereit sei, mich von dem Violoncello zu trennen. Er runzelte die Stirn und warf mir einen Gewitterblick zu.
    »Das macht man nicht. Es kommen wieder bessere Zeiten. Gehen Sie. Nehmen Sie Ihr Cello wieder mit.« Er stupste mich missmutig Richtung Tür.
    »Sie bekommen Provision, wenn Sie es gut für mich verkaufen«, versuchte ich es. Jetzt wurde der alte Herr richtig wütend. Mit Verdammnis sprühenden Augen unter buschigen Brauen und mit Lippen dünn wie die Saite eines Bogens fixierte er mich.
    »Machen Sie, dass Sie fortkommen! So kann aus dieser Welt nichts werden. Die Musik ist heilig. Sie verraten die ganze Schönheit dieser Welt!«
    Ich schwankte einige Augenblicke zwischen Überraschung und Empörung. Dann wurde ich ganz ruhig.
    »Herr Wüstrow«, sagte ich sanft zum alten Meister. »Ich weiß sehr wohl um die Schönheit der Musik. Ich befinde mich gerade auf einer Reise durch unwirtliche Gegenden. Da werde ich das schöne Instrument nicht mitnehmen können. Wer weiß, in zwei, drei Jahren ist meine Reise durch die Wildnis wieder beendet. Dann wende ich mich wieder den Schönheiten zu, und ich werde sie genießen können, ganz egal, ob mit oder ohne Cello. Und was spricht dagegen, wenn in der Zeit meiner Abwesenheit ein anderer Mensch das Instrument spielt und sich daran erfreut?«
    Herr Wüstrow schaute mich eine Weile an, dann wischte er seine zerfurchten Geigenbauer-Hände an seinem braunen Kittel ab, auf dem rötliche Lackflecken, weißer Kolophonium-Staub und gelbliche Wachsstückchen eine Beuyssche Komposition bildeten.
    »Na gut«, brummte er schließlich. »Ich erstelle ein Gutachten. Ich werde einen fairen, realistischen Preis ansetzen. Aber ich vermittle das Violoncello nur an einen Menschen, der es wirklich zu schätzen weiß.«
    Zwei Monate später wurde das Instrument von einem musikliebenden Ehepaar gekauft, die es ihrem begabten Sohn schenkten, der bereits seit seinem vierten Lebensjahr Cello spielte. Er war in dem letzten halben Jahr so sehr gewachsen, dass sein bisheriges halbes Cello schon längst nicht mehr ausreichte und er sogleich auf ein Erwachsenen-Instrument umsteigen konnte.
    Wie es der Zufall wollte, kam Jonas später nach unserem Umzug in die andere Stadt in dieselbe Schulklasse wie dieser Junge. Jonas und er wurden beste Freunde – und ich genoss die Klänge meines ehemaligen Cellos, wenn der Freund auf dem Weg zum Musikschulunterricht bei Jonas vorbeischaute. Dann bat ich ihn, mir etwas auf meinem/seinem Cello vorzuspielen. Und dieser hoch aufgeschossene junge Kerl spielte um Längen besser als ich damals. Ich war sehr zufrieden mit meiner Entscheidung. Nein, ich hatte die ganze

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