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1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

Titel: 1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra van Laak
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Sprösslinge und mich sichern würde. Ich fühlte mich leicht und entspannt.
    Der Herr war um die vierzig Jahre alt, sah sehr gut aus, seine Augen funkelten, er ließ sein herzliches Lachen wie vor einigen Tagen am Telefon ertönen und stellte sich mit Buschkrug vor. Dabei kam er hinter seinem riesigen Schreibtisch hervorgesprungen, große Schritte, dynamischer Gang, fester Händedruck. Sein Hemd war ohne ein einziges Fältchen und saß tadellos. Die Ärmel waren gerade so lang, dass die Pilotenuhr am Handgelenk zu sehen war.
    Wir nahmen an einem soliden, ovalen Konferenztisch am Ende des großen Raumes Platz, es gab guten Orangensaft und Mineralwasser aus ordentlichen Gläsern, der Stuhl wippte angenehm, und ich begann mich richtig wohl zu fühlen.
    Herr Buschkrug fragte ausschließlich nach Soft Skills, ließ mich reden, schaute mich dabei freundlich an, stellte seine Fragen so, dass mein Redefluss nie abreißen musste, und schien sich jedes Detail merken zu können, denn obwohl er sich keine einzige Notiz machte, kam er immer wieder auf Nebensächlichkeiten zurück, die ich zuvor kurz gestreift hatte.
    Wenn jemand so gut zuhören kann, verliert man schnell die Scheu und mag auch den ein oder anderen Vorsatz in den Wind schießen. Einer meiner eisernen, im Stillen gesprochenen Merksätze bei Job-Gesprächen war: Petra, du bist alleinstehend mit maximal einem Kind. – Hier gestand ich innerhalb einer Viertelstunde, dass ich Mutter von vier Kindern sei. Er beglückwünschte mich dazu. Ich gestand weiter, dass ich alleinerziehend sei. »Chapeau« bekam ich zu hören, und das Gespräch spann sich fort, als sei nichts gewesen. Mein Herz hüpfte vor Begeisterung, und ich versuchte, dies nicht nach außen dringen zu lassen. (Meine Kinder wissen, dass mir dies so gut wie nie gelingt.)
    Nun entstand eine kleine Pause, ich war geradezu erschöpft, denn ich hatte meine Situation beschrieben, wie sie war, ich hatte nicht lügen müssen, ich war auf offene Ohren gestoßen, alles würde gut werden.
    Nun begann Herr Buschkrug von seinem Unternehmen zu sprechen. Finanzoptimierung, fester Kundenstamm, anspruchsvolle Produkte, deshalb würden kluge Köpfe gesucht, Menschen mit Lebenserfahrung, die überzeugen könnten. Aufstiegschancen sehr reell und leistungsabhängig. Da ich ja Leistungsträgerin sei, sehe er da gar kein Problem. Ich sei eine Kandidatin für die Führungsriege, das sehe er gleich, bei dem Pensum, das ich tagtäglich stemmen würde (endlich versteht das mal einer, dachte ich), er wolle mir kurz meinen Einstieg in das Karrieresystem skizzieren, es würde mich überzeugen, das wisse er schon jetzt.
    Es folgten im sachlichen Ton Ausführungen zur praxisorientierten Ausbildung, die einzelnen Aufstiegsschritte und dazu Bezeichnungen zu jedem einzelnen Joblevel, den ich sukzessive erreichen würde. Sogar bei den notwendigen Wochenendseminaren, die Absenzen von der Familie mit sich bringen würden, hatte Herr Buschkrug Verständnis für meinen familiären Kontext. Ich studierte die freundlichen Züge in dem gutaussehenden Männergesicht, die schönen Hände gestikulierten lebhaft, nicht zu hektisch, seine Körperhaltung vermittelte gleiche Augenhöhe – es gab nichts, rein gar nichts, was hier gegen ihn und sein Unternehmen sprach.
    Im Türrahmen erschien ein Mann im dunklen Anzug, Herr Buschkrug blickte kurz auf und gab ihm zu verstehen, er dürfe näher treten. Wir wurden einander nicht vorgestellt. Der junge Mann im Anzug war blass, seine Hände betasteten unablässig mehrere bedruckte DIN-A4-Seiten. Er beugte sich zu Herrn Buschkrug herunter, der offensichtlich sein Vorgesetzter war. Er gab ihm mit leiser Stimme eine Information. Für eine Millisekunde veränderte sich Herr Buschkrugs Mimik, winzige Pupillen, eine harte Falte um seinen Mund. Seine Züge waren schon längst wieder in den Zustand entspannter Herzlichkeit zurückgeschnellt, die Augen leuchteten freundlich, aber ich grübelte darüber nach, an was mich das erinnerte. Der bleiche junge Mann wurde mit warmen Worten entlassen, er eilte mit leicht nach vorne gebeugten Schultern davon. Herr Buschkrug sah mich direkt an. »Wo waren wir stehengeblieben? Bei der Ausbildung. Die Wochenendseminare halten wir ausschließlich in angenehmer Arbeitsumgebung ab. Wir unterstützen Sie darin, eine ausgezeichnete Betreuung für Ihre Kinder zu finden. Wir wissen, dass Frauen …«
    Ich hörte kaum noch zu.
    Der Abend in der Villa am See.
    Die Kinder im Bett, Till

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