1 - Schatten im Wasser
Löwenkopf bleckte sein tödliches Gebiss in hämischem Grinsen.
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Schlaflos lag sie neben ihrem Mann und lauschte in die samtschwarze afrikanische Nacht. Dunkelheit umfing ihr Gemüt, und ihr Herz lag wie ein kalter Stein in ihrer Brust.
Konstantin, lachten die Hyänen, Konstantin, rief der Nachtvogel, Konstantin, gurrten die Tauben. Konstantin, Konstantin, Konstantin, erscholl das tiefe, erderschütternde Gebrüll eines Löwen. In ihrem Kopf drehte sich nur dieses einzige Wort.
Bis dass der Tod euch scheidet, wisperte der Wind in den Blättern der Akazie. Für immer und ewig. Für immer und ewig.
Mit diesen Worten im Kopf wanderte sie durch ein Labyrinth quälender Traumlandschaften, schreckte immer wieder auf, wusste oft minutenlang nicht, wo sie sich befand und wer der Mann war, der ruhig und tief an ihrer Seite schlief.
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KAPITEL 10
Tagsüber hatte es immer wieder getröpfelt, aber es war nicht kühler geworden, was eigentlich ungewöhnlich war für diese Zeit der ergiebigen Frühjahrsregen und frischen Nächte. Zwei Tage waren sie in Onetoe-Jacks Umuzi geblieben, jetzt ritten sie stramm durch, hatten nur kurz Rast gemacht, um die Pferde zu tränken und zu füttern und selbst den kalten Maisbrei mit dem fettigen Fleisch zu essen, das ihnen Jacks Frauen mitgegeben hatten.
Das Fleisch war zäh, das Fett klebte ihr am Gaumen, und der Mais schmeckte nach nichts. Catherine war es egal. Der Schlag, den sie erhalten hatte, war zu brutal gewesen. Bleigewichte drückten auf ihre Seele, und allerlei unsinnige Gedanken spukten in ihrem Kopf herum. Der Impuls, einfach ihr Pferd zu wenden, zu Onetoe-Jacks Umuzi zu reiten, zu warten, bis er zurückkehrte, und ihn zu fragen, wo sich Konstantin aufhielt, war fast übermächtig. Doch sie schalt sich eine dumme Gans. Sie war der Gegend völlig unkundig, und Johann würde sie mit Sicherheit nicht einfach so fortreiten lassen. Er würde fragen, plausible Antworten verlangen, keine Ausflüchte akzeptieren, und sie würde ihm die Wahrheit sagen müssen.
Fast hätte sie laut gelacht, als sie sich das vorstellte.
Sie würde seinen Ring von ihrem Finger ziehen und ihm zurückgeben.
Ich werde dich verlassen, Johann, würde sie dann sagen. Ich liebe einen anderen. Es tut mir fürchtbar Leid.
So in etwa würde das klingen. Sie biss sich auf die Lippen. Könnte sie ihn um die Scheidung bitten? Ausgeschlossen, gab sie sich selbst sofort die Antwort. Als gläubiger Katholik würde er das nie zulassen, und er ahnte nicht einmal, dass die Wurzeln ihres Glaubens gelockert waren. Sie warf ihm einen heimlichen Blick unter der Hutkrempe zu. Auch er trug seinen Hut als Sonnenschutz weit ins Gesicht gedrückt. Das Fieber war 317
durch die letzte doppelte Dosis Chinarindenpulver heruntergegangen, und er sah viel besser aus, obwohl sie vermutete, dass es etwas damit zu tun hatte, dass sie sich nicht mehr weit von In- qaba befanden. Ihr Blick glitt zu seinem energischen Kinn, dem Mund, der so gern lachte, seinen muskulösen, kräftigen Händen, die rau waren von schwerer Arbeit, aber so unerwartet zärtlich sein konnten, und ihr Herz zog sich zusammen. Hilflos musste sie sich eingestehen, dass sie es nicht fertig bringen würde, ihm diesen Schmerz zuzufügen. Sie wünschte, ihn hassen zu können, aber das tat sie nicht. Im Gegenteil, er war ein guter Mann, und dachte sie an andere, schätzte sie sich glücklich, an ihn geraten zu sein. Das Leben hatte ihr eine Falle gestellt, sie war hineingetappt, und nun war die Falle zugeschnappt. Bis dass der Tod sie erlöste. Sie presste ihre Hand auf den Mund, um den Schmerzenslaut zu dämpfen, der aus ihrer Kehle brach.
Doch Johann hatte ihn gehört. Überrascht wandte er den Kopf, lächelte sie tröstend an und verbarg seine Besorgnis darüber, dass sie so blass und angegriffen aussah. Es war ihm nicht verborgen geblieben, dass sie kaum geschlafen hatte, aber die Worte, die sie wieder und wieder im Schlaf gemurmelt hatte, waren nicht zu verstehen gewesen. Sicher war sie nur aufgeregt, schließlich würde sie heute zum ersten Mal ihr neues Heim sehen. Er hoffte inbrünstig, dass sie es vor Einbruch der Dunkelheit erreichen würden. Inqaba im goldenen Abendlicht war schöner als das schönste Schloss, das er sich vorstellen konnte. Bei pechschwarzer Nacht sah man nicht die Hand vor Augen, und bedachte man, welcher Art manche der ungebetenen Gäste gewesen waren, die ihn nachts gelegentlich besuchten, könnte ihr erster Eindruck dann nicht gerade
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