1 - Schatten im Wasser
die Sonne brannte, die Schatten waren kurz und scharf, und das Land kochte. Die rote Erde, jeder Stein speicherte die Hitze und gab sie in glühenden Wellen wieder ab. Die Zikaden sirrten, der Busch knisterte, ein violett glänzender Pil endreher raschelte über die hart gebackene Erde. Außer dem Schnarchen Mzilikazis, der im Schatten des Kochhauses schlief, war kein Laut zu vernehmen, und die Stil e vertiefte ihre Einsamkeit. Hoffnungsvoll lauschte sie auf das Geräusch von Pferdehufen auf Sand, das Besuch ankündigen würde, aber alles blieb stil .
Sie warf den Webervögeln Körner hin und fütterte das grasgrüne Chamäleon, das in der Mimose hauste, mit Fliegen. Es machte zwar außer zufriedenem Schmatzen kein Geräusch, aber es war ein Lebewesen. Dafür lärmten die schwarzköpfigen, gelb gefiederten Weber umso lauter. Sie wurden zusehends zahmer und pickten ihr die Körner manchmal von der Hand. Sie gaben ihr die Il usion, nicht allein zu sein.
Der Schweiß rann ihr in Bächen in den Ausschnitt, ihre Haut brannte. Sie stieg zum Wasserreservoir hinauf, füllte den Eimer und goss sich das Wasser einfach über den Kopf, genoss die Kühlung, die es brachte. Am Horizont im Osten glitzerte ein Band aus funkelnden Diamanten. Sie seufzte. Der Ozean? Wie weit mochte es bis zum Meer sein? Einen Tag, zwei Tage?
Ein schwaches Kläffen aus dem Hitzeschleier über dem Busch ließ sie aufhorchen. Sollte sie Besuch von einer Jagdgesellschaft bekommen? Mit den Handflächen strich sie rasch die Nässe von ihrem Körper ab, aber als sie ihren Bauch berührte, hielt sie inne. Für einen kurzen Augenblick schwebte das Zwitschern von fröhlichen Kinderstimmen in der Luft, doch gleich darauf zerfloss es wieder in den hohen Geigenklängen der Zikaden.
Ihre Einbildungskraft hatte sie getäuscht. Ihr Bauch war so flach wie eh und je. Die Enttäuschung, die sie bei dieser Entdeckung empfand, war wie ein schmerzender Stich. Sie war allein
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wie immer, und nun würde nicht einmal mehr Jikijikis Stimme diese zentnerschwere Stil e mildern.
Zu ihrem Tag gehörte der Gesang, mit dem die junge Zulu ihre tägliche Arbeit begleitete. In sanften, klaren Tönen, die da- hinplätscherten wie ein Bächlein über Steine, beschrieb sie ihr Leben in diesem herrlichen Land, das Himmel hieß. Catherine, die nicht al es verstand, aber den Sinn begriff, wurde dabei von einer Sehnsucht erfüllt, die sie sich selbst nicht genau erklären konnte.
Wieder hörte sie kläffen, mehrstimmig dieses Mal, dann ein lang gezogenes, hohes Lachen. Sie führ zusammen. Das war keine Jagdgesellschaft, das war ein Hyänenrudel, ganz in ihrer Nähe. In Windeseile knöpfte sie ihr Kleid über der Brust zusammen. Es spannte etwas, weil es vom vielen Waschen eingegangen war, und als sie kräftig zog, zerriss es. Leise schimpfend untersuchte sie den langen Riss, der unter ihrem Arm bis zur Tail e lief. Das Kleid war hinüber. Jikijikis Waschmethoden hatte es nicht standgehalten. Auch ihre Schuhe, die Johann ihr aus Springbockleder gefertigt hatte, begannen sich schon in den Nähten aufzulösen, und ihre Sohlen waren so abgeschliffen, dass sie jedes größere Sandkorn spürte. Ebenso gut konnte sie barfuß laufen. Zornig trat sie einen Stein aus dem Weg. Al es ging hier ungleich schneller entzwei als in Europa. Hitze, Feuchtigkeit, Dornen und allerlei Getier, das feine Stoffe zu schätzen wusste, setzten dem mageren Inhalt ihres Kleiderschrankes über die Maßen zu. Johann würde einen Springbock schießen müssen, um ihr neue Schuhe aus der Haut zu fertigen. Es war kein Geld da, um sich welche aus Kapstadt kommen zu lassen. Johann hatte gestanden, dass er die Maisernte zum größten Teil an George Cato verpfändet hatte, und das, was übrig blieb, und die Erträge, die er für die Kidneybohnen und den Buchweizen zu bekommen hoffte, brauchte er als Rücklage. Zwar hatten alle ihre Ananas Früchte angesetzt, doch die Ernte stand noch aus.
»Es tut mir Leid. Aber, Kopf hoch, das geht vorüber, und wir haben doch schon viel Schlimmeres überstanden.« Er hatte gelacht, auf den Schiffbruch angespielt.
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Dieses ewig optimistische Lachen, das fröhliche Ignorieren von knallharten Fakten waren ihr über die Nerven gekratzt. »Na, hoffentlich«, hatte sie geantwortet und seine Umarmung abgewehrt.
Sie erreichte das Haus, aber das Lachen der Hyänen war verstummt.
Beruhigt holte sie die schmutzige Wäsche aus dem Schlafzimmer und tat sie in den hölzernen Waschzuber, der
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