Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
würde. Einfach so.
    »Nutze immer den Schwung deines Feindes gegen ihn«, meldete sich Grandpere.
    Schweigend musterte sie den jungen Mann vor ihr, der selig rauchte und gleichgültig tat. Was brauchte Mzilikazi am nötigsten?
    Rinder, antwortete sie sich selbst, jede Menge Rinder, und die musste er sich verdienen. Hab ich dich, frohlockte sie und setzte eine sorglose Miene auf. »Nun gut, geh, hamba, hamba«, sang sie mit fröhlicher Scheinheiligkeit und machte eine scheuchende Handbewegung. »Ich brauche dich nicht mehr. Verlasse Inqaba. Jetzt, sofort.«
    Mzilikazi beäugte sie misstrauisch, machte zwar keine Anstalten, sich zu erheben, doch er hatte aufgehört zu rauchen.
    Sie sah es mit Genugtuung. Sich an seiner Verwirrung weidend, nahm sie demonstrativ Zündhölzer aus ihrer Rocktasche, entzündete eins und hielt es dicht ans Grasdach seiner Hütte, nur ein paar Zoll von seinem Kopf entfernt.
    Das wirkte. Mzilikazi sprang blitzartig auf die Beine. »Cha!«, brüllte er.
    »Nein!« Er schlug nach der Flamme und feuerte dabei eine Salve erregten Zulus ab, von dem sie nichts außer »nein« und »arbeiten« verstand.
    Das Zündholz flackerte, sie lächelte. »Wenn du hier nicht arbeitest, brauchst du keine Hütte. Deswegen brenne ich sie ab.« Nicht im Traum würde sie diese Drohung wahr machen, aber das verbarg sie sorgfältig.
    431
    Minuten später stand Mzilikazi am Waschzuber und schrubbte, dass es eine Freude war.
    »Kräftig reiben«, sagte sie, ihren Triumph innerlich weidlich auskostend, und machte die entsprechende Handbewegung. Dann wandte sie sich ab, um im Haus den Riss im Kleid zu reparieren. Der Zulu hinter ihr knurrte erbost, fauchte geradezu. Sie winkte ihm fröhlich zu, doch er starrte mit geweiteten Augen an ihr vorbei, und jetzt merkte sie, dass das Schnauben nicht von Mzilikazi kam, sondern aus Richtung des Hofs.
    »Ingwe«, flüsterte Mzilikazi. »Leopard.«
    Sie brach in kalten Schweiß aus, rührte keinen Muskel, wagte nicht zu atmen, wagte nicht einmal, den Kopf zu wenden. Wie ein Opferlamm wartete sie auf den Angriff der Raubkatze, ihren Blick angstvoll mit dem von Mzilikazi verhakt. Plötzlich blitzten die Zähne in dem schwarzen Gesicht des Zulu. Das Lachen kam tief aus seinem Bauch, drängte sich aus ihm heraus, und dann lachte er, schlug sich auf die Schenkel, dass die Seifenlauge spritzte, und deutete über ihre Schulter. Catherine fuhr herum, und der Anblick, der sich ihr bot, verschlug ihr glatt die Sprache. Erst wollte sie wütend werden, doch dann gewann ihr Sinn für Komik die Oberhand, und sie musste auch lachen.
    Ein Schwarzer, angetan mit rotem Uniformrock, aber ohne Hosen, sein männlicher Stolz nur von Kuhschwänzen verdeckt, lief im eiligen Trott aufs Haus zu. In einer Hand trug er Kampfstock und Assegai, den kurzen Kampfspeer der Zulus, auf dessen Spitze ein Stück Fleisch aufgespießt war, in der anderen einen langen gespaltenen Stock. In dieser Spalte steckte ein großer Briefumschlag. Keuchend streckte er ihr den Stock hin.
    Die Post war da.
    Um Fassung ringend, Mzilikazis spöttisches Gelächter in den Ohren, stolperte sie dem Mann entgegen. Aufgeregt nahm sie ihm den großen Umschlag und den Zettel ab, der daneben steckte. Der Zettel war von Onetoe-Jack, der ihr mitteilte, dass er so frei gewesen war, ihre Post aus Durban mitzubringen und sie mit einem seiner Zulus zu ihr zu schicken. Sie wendete den Umschlag um und las den Absender. Salvatore Strassberg.
    Das Papier bebte in ihren Händen. Nun würde sie Gewissheit erhalten.
    432
    Für einen Moment schloss sie die Augen, um mit sich allein zu sein.
    Noch konnte sie sich ausmalen, wie es aussehen würde, ihr Buch mit den Zeichnungen und ihren Reisenotizen, konnte von dem Erfolg träumen und dem Geld, das endlich den Ausweg aus zerschlissenen Kleidern, selbst geschusterten Schuhen und Einsamkeit bedeutete. Ihre Finger zitterten, sie fühlte sich noch nicht bereit für das, was in dem Brief stand, denn er bedeutete das Ende ihrer Träume. Auf die eine oder andere Art. Wieder war sie an einem Scheideweg ihres Lebens angekommen.
    Sie atmete tief durch, befahl ihrer davongaloppierenden Fantasie energisch Einhalt, zwang sich, erst dem Postläufer einen Krug frisches Wasser zu geben und kalten Maisbrei vom Vortag, den er zu dem mitgebrachten Fleisch verzehren konnte, ehe sie sich auf die Veranda zurückzog und den Umschlag vor sich auf den Tisch legte. Es war gerade eben sieben Monate her, dass sie ihre Skizzen von Kapstadt

Weitere Kostenlose Bücher