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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Tagesanbruch aufstehen. Es blieb ihnen nur selten Zeit füreinander, und schon gar nicht für etwas so Frivoles wie zu spielen.

    Das Mädchen war listig und geduldig und von erstaunlicher strategischer Begabung. Sie gab al en Figuren Namen. »Das ist Katheni«, sagte sie und berührte Catherines Königin, ihren Namen in Lautmalerei verwandelnd, wie es die Zulus mit den Na
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    men der Weißen taten, und freute sich königlich, wenn ihre Dame »Jikijiki«
    Catherines König »Jontani« vom Feld fegte und ihr König Mzilikazi stolz und unversehrt das Brett beherrschte.
    »Jikijiki ist stärker als Jontani«, lachte sie dann mit blitzenden Zähnen und stampfte einen wilden Triumphtanz, dass ihre Brüste und das Perlenröckchen hüpften. »Ich bin die Königin, gib mir etwas dafür.« Sie griff über den Tisch, packte Catherines Hand und befingerte ihren Ehering.
    »Den Ring wil ich. Gib ihn mir.«
    »Es ist das Zeichen, dass ich Johann gehöre«, wehrte Catherine ab.
    »Wir Umlungus dürfen uns davon nie trennen.«
    Jikijiki verstand das sofort, und Catherine schenkte ihr stattdessen ein Perlenarmband aus den Beständen ihres Vaters. Die rot-grün funkelnden Perlen machten doch sehr viel mehr her, und die junge Zulu tanzte vor Freude wie ein Irrwisch über den Holzboden. Glasperlen besaßen meist nur die Frauen des Königs.
    Catherine sah ihr zu, und unvermittelt packte sie das Verlangen, auch zu tanzen, ausgelassen zu sein. Sie wünschte sich Gefährtinnen, Freunde und die unbeschwerte Fröhlichkeit, die junge Menschen haben durften und die sie zwischen den alten Männern, ihrem Vater und seinen Kumpanen, nie erlebt hatte. Sie hob ihre Röcke, sprang auf und wirbelte im Walzerschritt über die Veranda. Jikijiki sah ihr neugierig zu, ahmte dann ihre Schritte fehlerlos nach, setzte dabei ihre Füße zierlich wie eine Gazelle.
    »Komm, ich zeig's dir«, rief Catherine und legte ihr den Arm um die Tail e. »Mit dem linken Fuß zuerst«, kommandierte sie und summte einen flotten Walzer.
    Jikijiki warf ihren Kopf zurück und tril erte voller Übermut. Zusammen schwebten die beiden jungen Frauen, die geschmeidige braune, nur mit Perlenschnüren behängte Zulu, und die Weiße, in verwaschenes Grün gekleidet mit bodenlangem, schwingendem Rock, im Dreivierteltakt unter dem tiefblauen afrikanischen Himmel dahin. Die Perlen klimperten, das dünne Kattunkleid raschelte, Catherine sang aus vollem Halse.
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    »Wozu ist der Tanz?«, fragte die Schwarze, als sie atemlos innehielten.
    »Dient er dazu, deine Ahnen milde zu stimmen oder Fruchtbarkeit füir deinen Leib zu erbitten?«
    Catherine verstand nicht. »Er bedeutet nichts. Es bringt Spaß zu tanzen, es macht fröhlich«, antwortete sie achselzuckend.
    Jikijiki schlug mit ihren Füßen einen Trommelwirbel, hüpfte hoch, drehte sich und rief: »Sieh mir zu, höre, was ich dir mit meinem Tanz sage.«
    Und dann lernte Catherine von ihr, dass die Zulus mit jedem Tanz etwas ausdrücken, eine Seelenlage oder eine Absicht, so facettenreich und vielfältig, als wäre es durch eine Sprache. Jikijiki zeigte es ihr und bewies, dass sie diese Sprache vollendet beherrschte.
    In diesen Stunden war Catherine glücklich.

    *
»Freundinnen?« Jikijiki schaute sie aus dunklen, unergründlichen Augen an und zwirbelte dabei eins der festgedrehten Löckchen ihres Kraushaars.
    Dann senkte sie die Lider und zog sich in sich selbst zurück. Eine Antwort gab sie nicht, sondern ging wortlos.
    Mit geballten Fäusten sah Catherine ihr nach. Die Gleichgültigkeit des Mädchens tat weh. Entschlossen schob sie ihre Gefühle beiseite. Sie weigerte sich zuzugeben, dass die überschäumende Lebensfreude der jungen Zulu ihr mehr fehlen würde, als sie sich eingestehen wollte, und richtete ihren ganzen Zorn darauf, dass sie nun allein war mit der Aufgabe, neben ihren täglichen Haushaltspflichten die Wäsche der vergangenen Woche zu waschen, Feuer zu machen und das Abendessen zuzubereiten.
    Mzilikazi würde nach seiner Mittagspause die Wäsche waschen müssen, denn die neue Haut auf ihrem verbrannten Arm spannte noch und war empfindlich, und die Muskeln waren noch schwach.
    Catherine sah Jikijiki, die eben im Busch verschwand, nach und unterdrückte ein Kraftwort. Sie musste ihren ganzen Stolz 426
    zusammennehmen, um ihr nicht nachzulaufen und darum zu betteln, dass sie bei ihr bliebe, sie nicht allein zurückließ.
    Seufzend strich sie sich die feuchten Haare aus dem Gesicht. Es war unerträglich heiß heute,

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