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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Zehen im Schlaf abgefressen«, hatte Johann gesagt und die von Onetoe-Jack gemeint. »Ihr Gebiss ist so stark, dass sie jeden Knochen knacken können.«
    Ihr rieselte es kalt den Rücken hinunter, sie wagte sich nicht zu rühren, war noch völlig durcheinander von dem Schreck des vermeintlichen Leopardenangriffs. Nofretete spuckte vom Regal herunter. Die Hyäne richtete ihre gelben Augen langsam auf die kleine Katze und machte einen Schritt in die Küche hinein. Catherines Blick flog durch den Raum. Ihr Hackmesser lag auf dem Küchentisch, keine zwei Fuß von dem Raubtier entfernt, ihr Gewehr stand im Schlafzimmer. Die Hyäne sog die Luft durch die Zähne, fixierte nun sie mit diesen kalten, klaren Augen und lachte spöttisch. Catherine meinte schon die nadelspitzen Zähne zu spüren, sah sich in ihrem Blut liegen, als sich plötzlich etwas in ihr aufbäumte.
    Nach allem, was sie durchgemacht hatte, Stürme, Tod, Schiffsuntergang und Krankheit, würde sie sich nicht von einer hungrigen Hyäne ins Bockshorn jagen lassen. Sie packte ihren Stuhl, 435
    schleuderte ihn auf die Kreatur und schrie, so laut sie konnte. Überrascht aufjaulend wich das Raubtier wenige Schritte zurück, und es gelang ihr, die Tür zuzuschlagen. Wie ein Wirbelwind flog sie durchs Haus, schloss alle Ausgänge, trat als Letztes die Wohnzimmertür hinter sich zu und fiel im Gang gegen die Wand. Sie war in Sicherheit. Hätte sie jetzt den Stall erreichen und Caligula satteln können, sie hätte Inqaba und Johann auf der Stelle verlassen. Für immer. So aber rutschte sie langsam an dem rauen Mauerwerk hinunter auf den Fußboden und blieb dort sitzen, verwünschte ihre eigene Angst, verwünschte Johann und Afrika, verwünschte das Schicksal, das sie ihm vor die Füße geweht hatte.
    Dort, in tiefster Dunkelheit, fand Johann sie später. Mit einem Satz war er bei ihr, von einer so entsetzlichen Angst gepackt, dass ihr jemand ein Leid angetan hatte, dass er sie nur wortlos in den Armen halten konnte. In abgehackten Sätzen stieß sie die Geschichte mit der Hyäne hervor.
    Zu ihrem grenzenlosen Erstaunen lachte er. »Du hast dich wohl unnötig aufgeregt. Das war vermutlich Helene, die Hunger hatte und sicher nur hinter dem Braten oder vielleicht Nofretete her war.«
    Er schlang seinen Arm fest um ihre Tail e und führte sie nach draußen in die frische Abendluft. »Aber jetzt wirst du schießen lernen, damit du dich in Zukunft verteidigen kannst. Keine Widerrede.«
    »Helene?« Ihr Stimme stieg hysterisch. Eine Hyäne namens Helene!
    Himmelherrgottnocheinmal!
    »Sie ist die Ranghöchste unseres Hyänenrudels, das die Abfall- grube sauber hält, die Königin. Sie lebt seit einigen Jahren hier. Beruhige dich also. Noch nie hat eine Hyäne einen lebenden Menschen gefressen, und Helene schon gar nicht.«
    »Ach, und was ist mit Onetoe-Jacks Zehen passiert?«, schrie sie, empört, dass er die Dramatik ihres Erlebnisses herunterspielte.
    Ein Mann hinter ihr kicherte heiser. »Meine Gnädigste, ich war voll des süßen Weins und lag auf der Erde im Busch. Ver 436
    mutlich habe ich schon recht appetitlich nach Verwesung gerochen, ein Geruch, der Hyänen geradezu in Verzückung versetzt.«
    Onetoe-Jacks Fistelstimme! Erst jetzt wurde sie gewahr, dass Johann nicht allein war. Es war kurz vor Neumond, der Mond nur eine schmale Sichel. Sein schwaches Licht floss über die Steine und zeigte ihr, dass sich mehrere Männer im Hof befanden. Sie saßen eben von ihren Pferden ab.
    Neben Onetoe-Jack, der von einigen sehr dunkelhäutigen Schwarzen begleitet wurde, erkannte sie Rupert Farrington, Dan, den Schlangenfänger, und Timothy Robertson, der ihr im ersten Moment völlig fremd war, so sehr hatte er sich verändert. Aus dem blassen, eher schmächtigen jungen Zeitungsschreiber war ein kräftiger Mann mit einem breiten, offenen Lachen geworden, der auf seinem Pferd saß, als wäre er im Sattel geboren.
    »Mrs. Steinach, einen wunderschönen guten Abend«, lächelte er und zog seinen Hut. Seine Stirn leuchtete sonnenverbrannt, und die Haut löste sich, wie auch von seiner Nase, in Fetzen ab. Auch die drei anderen grüßten sie herzlich.

    Mzilikazi tauchte auf, immer noch mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht. Johann warf ihm die Zügel von Shakespeare zu und befahl ihm, mit den anderen Burschen die Pferde zu versorgen.
    Catherine mühte sich, den Riss unter ihrem Arm zu verstecken. In dem zerrissenen Kleid fühlte sie sich eher wie eine Dienstmagd denn wie die Herrin

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