1 - Schatten im Wasser
Papas Hosen auf.
Es war sehr praktisch im Haus und auf der Farm. Das Oberteil des Kleides hatte sie abgetrennt und repariert und unterhalb der Tail e umsäumt, so ergab es eine durchgeknöpfte, kragenlose Bluse. Heute jedoch hatte sie eins der weiten, weißen Hemden ihres Vaters angezogen und in die Hose gesteckt. Die Beinkleider hatte sie mit ungeübten Stichen enger genäht und auch kürzer, sodass ihre nackten Füße darunter hervorlugten. Ihre Sohlen waren verhornt und eingekerbt wie die der Zuluhirten, und sie konnte schrubben, soviel sie wollte, das Rot von Afrikas Erde ließ sich nicht mehr entfernen. Dan de Vil- liers Rat befolgend, schonte sie ihre Schuhe im Sommer. Nur an den wirklich kalten Wintertagen hatte sie die Veldskoens, die ihr Johann aus Springbockhaut gemacht hatte, getragen. Sie waren etwas zu groß, und sie musste Stroh hineinlegen, das allerdings, wie sie einmal trocken bemerkte, wenigstens auch ein wenig wärmte.
Korkeinlagesohlen, wie sie in Deutschland selbstverständlich waren, gab es hier natürlich nicht.
Kein Dienstmädchen würde sich so auf die Straße wagen, dachte sie grimmig. Ich sehe aus wie die Frau eines Tagelöhners. Nein, schlimmer, korrigierte sie sich, wie eine hergelaufene Zigeunerin, denn trotz Sonnenhut und Umhang hatte ihre Haut eine goldbraune Färbung angenommen, ein paar Strähnen ihres dunklen Haars, das sie in einem aufgerollten Zopf im Nacken trug, hingen ihr ins Gesicht. Mit spöttischer Grimasse sank sie vor ihrem Spiegelbild in einen übertriebenen Hofknicks. »Voilà, die hochwohlgeborene Baronesse le Roux!«
In diesem Augenblick hasste sie Afrika, hasste sie Inqaba und ihr Leben hier, und sie haderte mit Johann, der sie in diese Wildnis verschleppt hatte.
Mit einer heftigen Bewegung strich sie ihr Haar nach hinten, wobei sie mit ihrem Ehering hängen blieb.
541
Sie befreite sich und sah hinunter auf das breite, schimmernde Goldband, musste unwil kürlich an Dom Alvaro und Donna Leonora de Vila Flor denken und an die Schätze, die sie mit sich geschleppt hatten. Nur ein Bruchteil davon würde genügen, und ihre Sorgen hier wären für immer beigelegt. Ihre Beine bewegten sich wie von selbst, trugen sie zum Regal, wo das Buch stand, in dem das Schicksal der de Vila Flors verzeichnet war.
Sie hatte das Buch notdürftig repariert, die Schnipsel auf Stücke ihres zerrissenen Rocks geklebt. Der Leim, aus Rinderhufen gekocht, war bretthart geworden. Sie nahm es heraus und trat auf die Veranda.
Die frühen Wolken hatten sich verzogen, und es war ein herrlicher Tag geworden, kühl zwar, aber der azurblaue Himmel war von kristallener Klarheit, und die scharlachroten Blüten- krönchen der Kaffirbäume glühten an den kahlen Ästen. Schon zeigten sich winzige hellgrüne Blättchen, ein sicheres Zeichen, dass der Frühling vor der Tür stand. Johann würde erst abends kommen. Es blieb ihr genug Zeit, noch ein wenig zu lesen. Sie brühte sich einen Kaffee auf, rückte den Stuhl auf der sonnenüberfluteten Veranda unter der Mimosenakazie zurecht und schlug das Buch auf, um zu erfahren, was aus Donna Leonora geworden war. Sie blätterte mehrere Seiten zurück, um ihr Gedächtnis aufzufrischen, schauderte, als sie sich vorstellte, unter welchen Bedingungen Dom Alvaro und seine Familie um ihr Überleben gekämpft hatten. Mal hatten ihnen, die ohnehin durch Hunger und Durst geschwächt waren, eisige Winterwinde zugesetzt, mal lieferten sie sich heftige Gefechte mit Eingeborenen, bei denen viele ihrer Leute umkamen. Donna Elena, die vierzehnjährige Tochter der de Vila Flors wurde von einem baumlangen Schwarzen gepackt, entkam dem entsetzlichen Schicksal, verschleppt zu werden, nur, in dem sie ihren juwe-lenbesetzten Mantel in seinen Fäusten zurückließ. Lediglich mit einem dünnen, goldgelben Seidenkleid und der wadenlangen Hose, die ihre Mutter von einem Matrosen erbeten und ihre Tochter zu tragen genötigt hatte, bekleidet, trotzte sie der Kälte.
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»Welch zähes, kleines Ding«, murmelte Catherine und übersprang die grausigen Einzelheiten über den Tod eines der Kinder, ließ ihren Blick über die Seiten gleiten, bis sie auf eine höchst interessante Passage stieß.
Obwohl die Schiffbrüchigen ständig in der Nähe des Ozeans marschierten, fanden sie kaum trinkbares Wasser, einige starben sogar, als sie aus stinkenden Urwaldtümpeln tranken. Wer doch sauberes Wasser entdeckte, machte ein Teufelsgeschäft damit und verkaufte einen Becher für mindestens zehn
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