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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Silbercruzados, so viel, wie sie in ihrer Heimat in Monaten härtester Arbeit nicht verdient hätten. Einige schleppten bald Säcke voll Münzen mit sich herum, und als alle Münzen ihren Besitzer ge-wechselt hatten, schreckten die Kerle nicht davor zurück, Donna Leonora und ihre Tochter gewaltsam um ihren Schmuck zu erleichtern. Bald kämpften die Männer wie Tiere um ihre Beute. Diese Wildnis hatte aus Menschen Bestien gemacht.
    Abwesend goss Catherine sich eine weitere Tasse Kaffee ein und starrte vor sich hin. Es war anzunehmen, dass dabei einige der Juwelen und Münzen in den Sand gerollt und vergessen worden waren. Sie hielt die Tasse in beiden Händen und nippte an dem heißen Gebräu. Wer je einen Penny im Sand verloren hatte, wusste, dass es ein Ding der Unmöglichkeit war, ihn je wieder zu finden. Außerdem hatten Münzen ein beachtliches Gewicht. Die Schritte der Männer würde es schwer gemacht haben und ihre Muskeln müde. Geschwächt von Hunger und Durst waren sie sicherlich irgendwann zusammengebrochen und hatten sich entweder ihrer Last entledigt oder waren mit den Taschen voller Geld verreckt.
    In jedem Fall würde das Gold wie auf einer Schnitzeljagd quer über Natal verstreut sein. Mutlos setzte sie ihre Tasse ab, war so vertieft in das Schicksal der Familie de Vila Flor, dass sie vergaß zu essen, vergaß, sich Gedanken über das Abendbrot zu machen, und das klagende Gackern der Hühner ignorierte, die noch nicht gefüttert waren. Noch nicht einmal die Betten hatte sie gemacht, geschweige denn Jikijiki überwacht, die die Toilette gründlich säubern sollte. Sie fröstelte. Der Wind war kalt 543
    heute, und sie hatte Schnupfen, wie schon so oft in diesem Winter. Die Augen noch immer aufs Buch geheftet, stand sie auf, wanderte ins Haus, legte sich ihre Bettdecke um die Schultern, pflückte eine der am Büschel reifenden Bananen, die von den Dachsparren hingen. Kauend und lesend setzte sie sich wieder hin.
    »Holla, jemand zu Hause?« Eine grobe Männerstimme kam vom Hof her und wütendes Bellen von Bepperl, der sich zunehmend als ausgezeichneter Wachhund herausstellte.
    Unwirsch sah sie hoch. Besuch? Hoffentlich nicht, dachte sie. Sie fühlte sich nicht in der Verfassung, einen Haufen saufender, schwadronierender, streng riechender Männer zu verköstigen und für weiß der Himmel wie lange zu beherbergen. Ungeduldig streifte sie die Bettdecke von den Schultern und ging ums Haus herum nach vorn.
    Ein kleinerer Planwagen stand im Hof, gezogen von zwei Ochsen, die in der kühlen Morgenluft dampften. Der Gespannführer saß auf dem Kutschbock.
    »Hallo, junge Frau«, rief er und tippte mit seinem Zeigefinger an seinen Bowlerhut. »Ich suche eine Madame le Roux.« Neben ihm saß ein winziger Hund, der jedes seiner Worte mit schrillem Kläffen begleitete.
    »Wer sucht sie?«
    »Ich habe ein Päckchen für sie. Sie wohnt doch hier?« Seine tief unter Brauenwülsten liegenden Äuglein liefen über ihre Gestalt, blieben an den Hosen hängen und kehrten voller Neugier zu ihrem Gesicht zurück. »Nun holen Sie sie schon, gute Frau, ich kann hier nicht ewig warten, oder möchten Sie meine Waren sehen?« Er hob die Plane einladend an. »Al es, was Ihr Herz begehrt, ich habe es.«
    Ein Päckchen für sie? Auf Anhieb figl ihr niemand ein, der ihr etwas schicken könnte. »Ich bin Catherine le Roux«, sagte sie und richtete sich kerzengerade auf.
    »Sie?«, zweifelte der Mann nach einem kurzen Blick auf ihren Aufzug.
    »Die Dame soll die Herrin auf diesem Gut sein. Mit ihr wil ich reden, nicht mit dem Hausmädchen.«
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    »Wenn Sie ein Päckchen für mich abgeben wollen, dann tun Sie es, und verlassen Sie dann meinen Hof.« Eis klirrte in ihrer Stimme.
    »Holla, holla, warum so unfreundlich? Schließlich war es ein großer Umweg für mich.« Er wandte sich auf dem Bock um und kroch ins Innere des Planwagens. Als er wieder auftauchte, hielt er ein in Zeitungspapier gewickeltes Paket in der Hand und sprang herunter. Er war spindeldürr und seine Haut von so vielen Falten und Furchen durchzogen, dass er einem Stück Bil- tong nicht unähnlich sah. »Madame Catherine le Roux-Steinach.
    Und das sind Sie?« Wieder strich sein Blick an ihren Hosen herunter, verweilten auf ihren nackten Füßen. Zögernd hielt er ihr das Paket hin.

    Sie nahm es ihm aus der Hand. Es war erstaunlich schwer. Vielleicht Saatgut, das eigentlich für Johann bestimmt war? Oder vermutlich Terpentin und Pech gegen die Zeckenplage.

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