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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Seite ihres Haushangs außer Sichtweite getrocknet. Stolz präsentierte er ihr am Geburtstagmorgen den Haufen ockerfarbener, halb von Gras überwucherter Steine und drückte ihr strahlend einen Strauß wilder Lilien in die Hand. »Ich werde dir einen Tisch zimmern, sodass du neben dem Feuer eine Arbeitsmöglichkeit hast, und Nägel in die Wand schlagen, damit du deine Töpfe dort aufhängen kannst. Das wird wunderbar werden, nicht wahr?«
    Sie quälte sich ein Lächeln und einen Dank ab und machte sich trübsinnig daran, ihr Geburtstagsmahl zu kochen. Eine Rinderbrühe, gefolgt von einer gebratenen Wildschweinkeule und gedünstetem Huhn mit Kräutern. Als sie den ersten Löffel der
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    Suppe gekostet hatte, schob sie Johann schweigend das Salz hin. An dem Wildschwein war nichts mehr zu ändern. Es war fade und zäh wie Hosenleder.
    »Hätte noch ein paar Stunden im Topf bleiben können«, bemerkte er unvorsichtig.
    »Dann iss es eben nicht. Ich bin es nicht gewohnt zu kochen und die Arbeiten zu erledigen, die üblicherweise einem Hausmädchen obliegen, das weißt du«, führ sie ihn an und aß in wütendem Schweigen weiter.
    »Das Hühnchen ist sehr gut«, beeilte er sich zu loben. »Wirklich.« Zur Bestätigung nahm er sich eine große zweite Portion.
    Ohne zu antworten, starrte sie in die blakende Kerze und kaute. Sie saßen am Tisch im Wohnzimmer, die Türen waren fest verschlossen, und vor den Fensteröffnungen hingen Decken, denn es war in den letzten Tagen empfindlich kalt geworden. Der Raum erschien ihr kleiner als sonst, ihre Füße waren Eisklötze, und der Geruch der Schweinetalgkerze reizte sie zum Husten.
    Nach langen Minuten hatte sie endlich die lastende Stil e zwischen ihnen gebrochen. »Ich habe gehört, dass Kappenhofers sich ein Stadthaus zugelegt haben. Könnten wir das nicht auch? Es wäre so schön, gelegentlich dieser Einsamkeit zu entkommen.«
    Ein Stöhnen unterdrückend, rückte Johann sein verletztes Bein zurecht.
    »Bitte hab noch etwas Geduld. Sowie alles besser läuft, werden wir uns das auch irgendwann leisten können. Bald ist das erste Zuckerrohr reif, dann wird alles leichter sein.« Seine Stimme hatte überzeugend geklungen, wie immer, wenn er über die Zukunft seines geliebten Landes redete.
    Es hatte sie noch mehr aufgebracht. »Immer kommt etwas dazwischen«, rutschte es ihr heraus. »Heuschrecken fressen deine Ernte oder irgendwelche scheußlichen Käfer, die Rinder haben Lungenfieber oder sonst eine grässliche Seuche, und dann wird Geld für Teer und Terpentin gebraucht, weil Zecken über sie hergefallen sind, es ist zu trocken oder zu nass, oder die Kaffern haben keine Lust zum Arbeiten! Und ich muss barfuß laufen, weil
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    kein Geld für Schuhe da ist.« Ihre Stimme war in hysterische Höhen geklettert.
    Obwohl sie sich für ihren unkontrollierten Ausbruch schämte, brachte sie es nicht fertig, sich zu entschuldigen, nicht einmal für das Wort »Kaffern«.
    Johann war danach einsilbig geworden, und es hatte Tage gedauert, ehe ihr Verhältnis wieder einigermaßen im Lot war.

    *
Catherine reckte ihren Kopf und schaute durch die offene Küchentür zum Kochhaus. Eine Wand stand, eine andere war halb hoch. Die anderen Steine lagen ordentlich gestapelt daneben. Mehr hatte Johann noch nicht geschafft. Immer wieder war etwas dazwischengekommen. Seufzend hielt sie dem Chamäleon, das auf dem Verandageländer saß, eine Fliege hin und las weiter. Verwundert stellte sie fest, dass ihr Bild von Durban überhaupt nicht mit dem, das Tims Zeitung entwarf, übereinstimmte, bis sie eine Erklärung in einer Fußnote fand. Es waren seit ihrer eigenen Ankunft über dreitausendfünfhundert Einwanderer in Natal gelandet, und offenbar war Durban explosionsartig gewachsen. Vage erinnerte sie sich an die Vision, die ihr Johann vorgegaukelt hatte. Was hatte er gesagt?
    »Durban wird eine bedeutende Handelsstadt werden, reiche Handelsherren werden in prächtigen Häusern residieren, es wird Einladungen zum Nachmittagstee und Bälle geben, Theater, Clubs und gute Restaurants.«
    Wie es schien, entwickelte sich der Haufen primitiver Hütten, Zelte und riedgedeckter Schuppen, die sie gesehen hatte, diese Ansammlung schrecklicher Leute, die Hinrichtungen als öffentlichen Spaß inszenierten und ihre Notdurft im Busch hinter dem Haus verrichteten, tatsächlich in eine zivilisierte Richtung. Der Artikel aber, der sie am meisten interessierte, war auf der ersten Innenseite. Es ging um die Jagd nach den

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