Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
Zukunft, mein Freund. Denk daran, was ich dir gesagt habe. Sie ist meine Nkosikasi.«
    Sicelo war zu Stein erstarrt. Dann flackerte etwas über das schwarze Gesicht, sein Mund verzog sich wie im Schmerz. »Vergib meiner Zunge, ich werde sie strafen«, flüsterte er und biss so hart darauf, dass ihm das Blut aus dem Mund spritzte.
    Ihr war prompt übel geworden, und sie hatte sich auf Zehenspitzen entfernt. Am nächsten Tag stand Sicelo überraschend in der Küchentür.
    »Sawubona, Nkosikasi«, grüßte er verlegen lächelnd und legte einen kleinen Beutel aus Antilopenleder in ihre Hände. »Isin- wazi. Nimm das Pulver, und Johanns Samen wird aufgehen.«
    Verblüfft starrte sie auf das blutrote Pulver, das aus dem Beutel rann, und als sie wieder aufblickte, war Sicelo verschwunden. In diesem Moment hatte Jikijiki, bis auf ihr Perlenröckchen nackt, wie sie erschaffen wurde, die Küche betreten und das Pulver entdeckt.
    Sie hatte ihrer Arbeitgeberin einen blitzenden Blick zugeworfen.
    »Isinwazi«, gluckste sie und beschrieb mit den Händen mindestens einen Dril ingsbabybauch. »Du musst es auch Jontani geben, er wird wie ein wilder Bulle sein ...«
    Catherine hatte ihr den Beutel aus der Hand gerissen und war mit hochrotem Gesicht ins Schlafzimmer geflohen, im Ohr wieder die Worte, die Sicelo gewählt hatte, um das Offensichtliche zu beschreiben. Über ein Jahr waren sie schon verheiratet, und sie war noch immer so schlank wie am Tag ihrer Hochzeit. Auch Cil a und Mila hatten eine scherzhafte Bemerkung darüber gemacht und selbst Dan, der Schlangentöter. Ohne Arg, natürlich, nur so nebenbei. Dan hatte von jungem Blut und großen Kin-derscharen gesprochen, die die Kolonie brauchte, hatte gegrinst und gezwinkert und Johann in die Seite geboxt und ihm »ran an die Buletten«
    zugeraunt. Noch jetzt brannte sie vor Verlegenheit, aber heimlich hatte sie das Pulver probiert. Sie strich über ihren Bauch. Noch hatte es offenbar nicht gewirkt. Vielleicht sollte sie Isinwazi eine Zeit lang regelmäßig nehmen.
    539
    Draußen rief Jikijiki, Mzilikazi antwortete, und beide lachten. Catherine vernahm es und hatte das Gefühl, innerlich zu verdorren. Sie hungerte nach menschlichen Stimmen, nach Gedankenaustausch wie sonst ein Mensch nur nach Nahrung. Durban lag beinahe eine Woche südlich, Kapstadt war nur eine ferne Erinnerung, und Europa, wo das industrielle Zeitalter vorwärts preschte, es Telegrafen gab, die Nachrichten schneller transportierten, als ein Blitz über den Himmel zuckte, wo Webmaschinen in Fabriken ratterten, es Häuser mit Heizung und Wasserleitungen gab, war weiter entfernt als der Mond, der jede Nacht auf Inqaba schien.
    Niedergeschlagen barg sie ihren Kopf in den Armen, sehnte sich in diese andere Welt, die hinter dem Mond. Was würde sie dafür geben, könnte sie sich jetzt einfach eine Droschke nehmen, in die Stadt fahren und unter einer Vielzahl von Geschäften das aussuchen, was sie brauchte, Bücher und Papier kaufen, Zeitungen lesen, erfahren, was in der Welt vor sich ging. Hätte sie Freunde, könnte sie ihnen schreiben, sie besuchen oder ihnen ein Telegramm schicken. Es würde Bälle geben, Theateraufführungen und interessante Vorträge weit gereister Wissenschaftler, gepflasterte Straßen, Toiletten im Haus und gute Restaurants.
    Seufzend nahm sie ihre Näharbeit wieder auf. Die Fata Mor- gana von ihrem weißen Schloss auf dem Hügel Inqabas hatte längst böse Flecken bekommen, und immer häufiger war sie dieser Tage sehr müde. Außerdem litt sie schon wieder unter einer Erkältung. In diesem Winter hatte sich ein Schnupfen an den anderen gereiht, nun war auch noch Husten dazugekommen. Deftig stach sie die Nadel in den zweifach liegenden Stoff, es gab ein knackendes Geräusch, und die Nadel brach. Mit leisem Klingeln fielen die Teile auf den Wohnzimmertisch. Es war nur eine Kleinigkeit, eine Nichtigkeit, lächerlich in seinen Ausmaßen, aber es war genug.
    »Hölle und Verdammnis!«, schrie sie, ballte die Fäuste und sprang so heftig auf, dass der Stuhl nach hinten fiel. Sie trat dagegen, stolperte und stand plötzlich ihrem eigenen Abbild ge-540
    genüber, das von dem von der Feuchtigkeit halb blind gewordenen Spiegel an der Wand, den ihr Cil a als Wil kommen geschenkt hatte, zurückgeworfen wurde. Langsam richtete sie sich auf und betrachtete nüchtern ihre Erscheinung.
    Nach ihrer Flucht vor der Sangoma durch den Busch war ihr Kleid nur noch als Putzlappen tauglich gewesen. Seitdem trug sie

Weitere Kostenlose Bücher