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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Misstrauisch schnupperte sie daran. Es roch nach Zeitungspapier.
    Der Mann stand noch immer vor ihr. »Ich brauche Wasser für meine Ochsen und meinen Hund, und ich würde auch gern etwas trinken und, wenn Sie haben, auch essen. Vielleicht kann ich Ihnen ja die Einsamkeit ein wenig vertreiben?« Er streckte ihr das Gesicht entgegen, ein verschlagenes Grinsen verzerrte seine Miene.
    »Mzilikazi, Jikijiki - woza, shesha, shesha«, schrie sie, und dieses eine Mal kamen die beiden Zulus im Geschwindschritt. »Gebt den Tieren etwas zu trinken und dem Mann Wasser und eine Schüssel von dem Frühstücksporridge.« Sie sah den Mann kühl an. »Danach verlassen Sie meinen Hof auf der Stelle, sonst hole ich meine Flinte. Haben Sie das verstanden?«
    Als die Reaktion nur ein anzügliches Grinsen war, klemmte sie das Paket unter den Arm, marschierte ins Haus und packte ihr Gewehr. Sie lud es und ging hinaus, hielt die Waffe locker an der Hüfte.
    Der Mann erblickte sie und warf seine Hände in die Luft. »Ist ja schon gut, ich geh ja schon. Nichts für ungut. Der Mensch 545
    kann sich doch einmal irren.« Er verbeugte sich übertrieben tief. »Habe die Ehre, Gnädigste, habe die Ehre.« Damit kletterte er auf seinen Kutschbock und lenkte das Gespann auf den Weg, der aus Inqaba hinausführte.
    Sie wartete, bis das Klirren der Jochs nicht mehr zu hören war, dann ging sie wieder hinein. Das Paket lag auf dem Wohnzimmertisch, und es war an Madame Catherine le Roux-Steinach adressiert. Es gab keinen Zweifel. Vorsichtig löste sie die Schnur, legte sie sorgfältig beiseite und schlug das Zeitungspapier zurück, sehr darauf bedacht, es nicht zu zerreißen, denn es war eine Ausgabe des »Durban Chronicle«, die sie noch nicht kannte.
    Das Papier fiel auseinander, und sie hielt ein Paar Schuhe in der Hand.
    Ein Paar helle, brandneue Damenschuhe aus weichstem Ziegenleder mit zierlichem Absatz und goldfarbenen Ornamenten am Schaft. Wie in Trance nahm sie ein Kärtchen heraus, das in dem linken Schuh steckte. Nur eine Zeile stand darauf.
    »Für unseren nächsten Tanz. KvB«
    Das Kärtchen fiel ihr aus der Hand. Woher wusste er, dass sie Schuhe so nötig brauchte? Ihre Hände flatterten. Gedanken prasselten auf sie herunter, als stürzte eine Mauer über ihr ein. Sie konnte dieses Geschenk nicht annehmen, nicht von Konstantin, auch wenn es die schönsten Schuhe waren, die sie je besessen hatte. Sie strich über das weiche Leder, und für Sekunden schwankte ihr Entschluss. Johann hatte doch nur seine Rinder und die Maisernte im Kopf, er würde wohl nicht einmal merken, wenn sie neue Schuhe trug. Sie presste ihre Hände an die Schläfen. Es durfte nicht sein, sie durfte die Schuhe nicht behalten. Der rechte entglitt ihr und fiel auf den Boden direkt neben ihren rechten Fuß. Sie lupfte ihr Hosenbein und schlüpfte hinein. Vielleicht passte er ja auch nicht, und es würde ihr leicht fallen, sie an den Absender zurückzuschicken. Doch der Schuh passte perfekt. Er schmiegte sich kühl und weich um ihren Fuß, die Goldornamente schimmerten. Sie schloss die Lider, überließ sich für eine Sekunde ihrer Fantasie und walzte in Konstantins Armen durch einen funkelnden Ballsaal.
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    »Ist jemand zu Hause?« Aus weiter Ferne, wie aus einer anderen Welt, drang vom Hof her eine Frauenstimme an ihr Ohr.
    Sie fuhr zusammen. Heute ging es ja zu wie im Taubenschlag. Milas Stimme war es nicht, aber es war die einer Weißen. Zitternd nahm sie die Schuhe, eilte ins Schlafzimmer und verstaute sie ganz zuunterst in ihrer Kiste. Die Zeitung glättete sie, legte sie auch hinein und schlug den Deckel zu.
    Wer um alles in der Welt kam jetzt zu Besuch? Ausgerechnet jetzt. Die Frau war sicherlich nicht allein, vermutlich wartete da draußen eine ganze Jagdgesellschaft, die verköstigt und untergebracht werden wollte. Sie stöhnte. Am liebsten hätte sie sich versteckt und gewartet, bis die Gäste weitergezogen waren, um erst einmal Ordnung in ihr aufgewühltes Inneres zu bringen. Aber natürlich ging das nicht.
    Missmutig sah sie an sich herunter und versuchte einen Fleck auf ihrer Hose wegzureiben. Vergeblich. Ein bitteres Lächeln umspielte ihre Lippen.
    Wer immer es war, würde im Rest der Kolonie erzählen, dass Catherine le Roux-Steinach so arm war, dass sie in abgelegten Männerhosen herumlaufen musste. Der Adel des Geistes zählt mehr als der des Geldes, war stets der Spruch Grandperes gewesen, der sich im Vergleich zu seinem früheren Dasein als verarmt

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