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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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gehört hatte. Diese entsetzliche, spitznasige Margarethe tuschelte hinter vorgehaltener Hand, dass es ein Duell zwischen Konstantin und einem anderen gegeben hätte, und der Skandal sei nicht, dass er den anderen dabei ins Jenseits befördert, sondern dass er sich weit unter seinem Stand duelliert hatte.
    »Das ist natürlich überhaupt nicht comme il faut, ganz und gar nicht«, verkündete Margarethe, »aber was das Schlimmste ist, sie sollen sich ohne Sekundanten duelliert haben. Empörend, absolut gegen jede gute Sitte.«
    Heftig ihren Fächer wedelnd, kühlte sie sich das vor Entrüstung hochrote Gesicht.
    Noch jetzt zitterte Catherine allein beim Gedanken daran, was ihm hätte passieren können. Doch wenn es ihm möglich gewesen war, nach Afrika zu fliehen, musste er unversehrt geblieben sein.
    »Wann werde ich Sie wiedersehen und Ihre Arme um mich spüren?«, fuhr sie mit dem Brief fort. Auf ihrem Stift kauend, hob sie den Kopf und ließ ihren Blick über die leere Wasserfläche gleiten. »Wann«, schrieb sie und versah das Wort mit drei Fragezeichen.
    Etwas schabte unter ihr am Schiffskörper entlang. Sie machte vor Schreck einen Strich quer über das Papier und sprang auf. Wieder ein dumpfer Aufschlag, weiter hinten am Heck. Sie lehnte sich über die Reling und entdeckte den Bug eines schmalen Eingeborenenbootes, der sich eben ums Heck herumschob. Zu ihrer überwältigenden Freude erkannte sie den Einbaum ihres Vaters. Aufgeregt rief sie mehrfach laut seinen Namen.
    Doch niemand antwortete ihr.
    Träge drehte sich das schmale Boot in der Strömung, und dann sah sie den Mann im Heck, sah die Blutflecken auf seinem Tuch, und als er endlich hochblickte, erkannte sie ihn nicht. Erst als er den Mund öffnete und kaum hörbar ihren Namen
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    flüsterte, wurde ihr klar, dass sie César vor sich hatte. Sein Haar war weiß geworden, es zeigte das gräuliche Weiß kalter Asche, seine Haut war faltig, als wäre das Leben schon aus ihm herausgelaufen.
    Sie schrie gellend auf. »Kapitän, Hilfe, alle Mann an Deck!« Ihre Stimme überschlug sich. »Al e Mann an Deck. Heilige Mutter Gottes, beeilt euch doch!«, wimmerte sie.
    Hinter ihr polterten Schritte den Niedergang hoch. »Schnell, schnell, hierher!«, kreischte sie, winkte dem Kapitän, der übers Deck zu ihr hastete.
    Sie flog am ganzen Körper.
    »Fräulein le Roux, ja, was ist denn? Nun beruhigen Sie sich, um Gottes wil en ... verflucht, was ist das?« Er beugte sich weit über die Reling.
    »Jesusmariaundjosef, steh uns bei«, flüsterte er, als er den Einbaum sah.
    In einer roten Pfütze am Boden des schmalen Bootes lag Louis le Roux.
    Er regte sich nicht. Seine Augen unter den bläulichen Lidern waren tief in ihre Höhlen zurückgesunken, die Haut war gelblich fahl, die Kleidung wie die Césars blutverkrustet. Der Kapitän bellte eine Reihe von Kommandos.
    Danach ging alles ziemlich schnell. Das Fallreep wurde heruntergelassen, ein Matrose stieg hinab und angelte den Einbaum mit einem langen Haken heran. Dann setzte er vorsichtig seinen Fuß hinein und half César zur Leiter. Ein zweiter Matrose hing am Reep und zog ihn mit einem festen Griff unter die Achseln nach oben an Deck. Wortlos sank der Schwarze an der Reling zusammen, blieb einfach auf den Holzplanken zu Catherines Füßen sitzen.
    »César, mein Gott, was ist nur passiert?«, flüsterte sie, legte ihm kurz die Hand auf die Schulter, wandte sich dann aber, ohne auf seine Antwort zu warten, der Rettungsaktion für ihren Vater zu. Der Matrose im Boot hatte ihn bereits in eine Persenning gewickelt und gab das Zeichen, ihn an Bord zu hieven.
    »0 Herr im Himmel«, wimmerte sie, als sie sah, dass aus allen sichtbaren Öffnungen seines Körpers Blut sickerte, sogar aus den Augen.

    Ihr Magen drehte sich um. In ihrem Leben hatte sie noch nie so etwas Schreckliches gesehen. Mit bebendem Zeige-73
    finger wollte sie nach seinem Puls am Hals tasten, als César sich neben ihr bewegte.
    »Nicht«, wisperte er eindringlich, »nicht berühren, der Teufel wohnt in ihm, er frisst deinen Vater von innen auf, bis nur noch seine Haut leer zurückbleibt. Wenn du ihn berührst, wird der Teufel, der in Wirklichkeit aus einem unendlichen Schwärm kleiner Lebewesen besteht, auch über dich herfallen und dich auffressen«, sagte er.
    Catherine zog ihre Hand zurück, als wäre sie gebissen worden, sah plötzlich die äußere Hülle ihres Vaters vor sich liegen, leer gefressen, wie eine Puppe, der man die Sägespäne

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