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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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verwischten die Farben. Als sie unter dem mächtigen Schirm des Walnussbaums ankam, den sie als Treffpunkt verabredet hatten, stand dort noch niemand.
    Sie lehnte sich an den rauen Stamm, sog den würzigen Duft der Nussblätter in sich auf und wartete.
    Sie wartete, die Sonne sank tiefer, die Schatten wurden dichter, die Luft deutlich feuchter und kühler, und sie wartete immer 67
    noch. Niemand tauchte auf. Ihr Herz wurde tonnenschwer. Er würde nicht mehr kommen, dessen war sie sich sicher. Mit einem abgrundtiefen Seufzer wollte sie eben gehen, als sie eine weiße Hemdbrust im Mondlicht aufleuchten sah und sanfte Fußtritte im Gras hörte. Ein Schauer der Erwartung rieselte ihr über die Haut. Doch es war nicht Konstantin, der aus dem Dunkel des Gartens auf sie zukam. Befremdet wich sie hinter den Walnussbaum zurück. Erst als der Mann leise ihren Namen rief, wagte sie sich hervor und sah sich Wilhelm von Sattelburg gegenüber.
    Er zog seinen hohen Hut. »Gnädiges Fräulein«, begann er und teilte ihr dann mit hastigen Worten mit, dass Konstantin überstürzt die Stadt und das Land verlassen hatte und sich auf dem Weg nach Afrika befand. »Er wurde durch besondere Umstände dazu veranlasst«, erklärte er hölzern.
    Es traf sie wie ein Schlag, und sie brauchte alle Selbstbeherrschung, sich nichts anmerken zu lassen. Hartnäckig fragte sie nach, aber er weigerte sich, diese besonderen Umstände näher zu erläutern. »Ist er mit Herrn Pauli an den Ogowefluss gereist?«, fragte sie mit belegter Stimme, nun doch unfähig, ihre Enttäuschung zu verbergen. »Sie können es mir ruhig sagen, er selbst erzählte mir, dass er das vorhatte. Al erdings nicht zu diesem Zeitpunkt«, setzte sie hinzu.
    »Paul Pauli?« Er tat einen hastigen Atemzug, so als fühlte er einen plötzlichen Schmerz, und warf ihr unter halb gesenkten Lider einen scharfen Blick zu. »Nein, nein ... ich denke nicht, nun ja«, unterbrach er sich, »an den Ogowe, dorthin natürlich auch. Er plant allerdings, weiter zu reisen, bis an die Südspitze, ans Kap«, sagte er, sah sie dabei aber nicht an, sondern studierte die Spitzen seiner blank gewienerten, seitlich geschnürten Stiefeletten.
    Ans Kap. Das war so gut wie ans Ende der Welt. Verzweiflung packte sie, als sie an ihre eigene bevorstehende Reise nach Afrika dachte. Wir werden uns verpassen, zitterte sie innerlich, irgendwo auf hoher See werden unsere Schiffe aneinander vorbeifahren, und wir werden nichts davon ahnen. »Und was wird er dort machen? Weiß man schon, wann er zurückkehren wird?«
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    Der junge Mann strich sich über seinen Kinnbart, schien etwas zu überlegen. »Nun, man wird sehen. Noch liegt nichts fest, aber ich denke, er wird eine Zeit lang dort leben müssen«, antwortete Konstantins Freund.
    »Müssen?«
    Herr von Sattelburg biss sich auf die Lippen. »Äh ... ja nun, er muss natürlich Geld verdienen, das wird nicht so schnell gehen, daher müssen, sehen Sie?« Die letzten Worte stieß er erleichtert hervor.
    Stockend erzählte sie ihm von dem Forschungsvorhaben ihres Vaters.
    »Unsere Postadresse wird die von Herrn Strassberg sein. Welches ist die von Konstantin?«
    Wilhelm von Sattelburg studierte immer noch seine Stiefelspitzen. »Falls Sie eine Nachricht für ihn haben, Baronesse, schicken Sie diese getrost an mich. Ich werde zusehen, dass er sie erhält.« Er überreichte ihr seine Visitenkarte, verabschiedete sich mit einer steifen Verbeugung und ließ sie allein im kalten Mondlicht zurück.
    Mit bleischweren Schritten ging sie ins Haus und achtete dabei kaum auf Heimlichkeit. Al ihre hochfliegende Fröhlichkeit hatte sie verloren.
    Es wurde eine fürchterliche Nacht voller Tränen und Herzweh. Am nächsten Tag boten ihre verquollenen Augen, das hochrote Gesicht einen so jämmerlichen Anblick, dass Frau Strassberg darauf bestand, ihr kalte Wadenwickel zu machen und sie ins Bett zu verbannen, um das Fieber, das sie ganz offensichtlich befallen hatte, herauszuziehen.
    Seither hatte sie nichts mehr von Konstantin von Bernitt gehört. Sie ließ ihren Zeichenblock sinken, starrte ins sanfte Morgenlicht, das wie kostbarer Perlenschimmer über dem Kongo lag, und grübelte über das Schicksal Konstantins nach. Den Ogo- we hatte die Carina schon vor einer Woche passiert, und obwohl sie ihren Vater angebettelt hatte, einen klitzekleinen Abstecher den Fluss hinauf zu machen, hatte er, natürlich ihre Beweg-gründe nicht verstehend, weil sie andere vorgeschoben hatte, kategorisch

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