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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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herausgeholt hatte. »Ist er tot?«, fragte sie mit schwankender Stimme.
    »Er lebt, aber er wird seinen Körper bald verlassen. Bald.«
    »Bringt ihn in seine Koje«, befahl der Kapitän, der Césars fadendünne Worte wohl nicht verstanden hatte. »Er sieht übel aus, wird's nicht mehr lange machen«, murmelte er besorgt, während die Matrosen ihren Vater in seine Kabine schleppten und auf die Koje legten. »Irgendwas scheint von seinem Körper Besitz ergriffen zu haben, etwas, das ihn aufzehrt. Was sagt der Kaffer? Was ist passiert?«
    César lehnte plötzlich hinter ihnen in der Kabinentür. »Ich schob das Boot in der Abenddämmerung mit einem langen Staken durch den Sumpf, als er begann, sich zu schütteln, als hätte ihn eine große Faust gepackt.
    Stunden später lief das Blut aus ihm heraus.« Er musste sich abstützen, mehrmals tief Atem holen, ehe erweitersprechen konnte. »Das, was ihn fraß, fiel auch über mich her. Wenn er von uns gegangen ist, werde ich ihm bald folgen.« Die letzten Worte waren so schwach, dass Catherine ihn kaum verstand.
    Sie kniete neben ihrem Vater nieder, streckte die Hand aus, zögerte und zog sie wieder zurück. Stattdessen tastete sie seinen Körper mit den Augen ab. Aus Mund, Nase, Ohren und Augenwinkeln sickerte Blut, aber am Hals entdeckte sie ein winziges Flattern unter der Haut. Mit verzweifelter Konzentration starrte sie auf dieses Zeichen, dass er sich noch ans Leben klammerte. Mit César, der auf dem Plankenboden zusammengesackt war, 74
    hielt sie bei dem Todkranken Wache. Al e anderen schickte sie hinaus, besonders die ständig wimmernde Wilma, der von dem Gestank von Louis le Roux' verrottendem Körper schlecht geworden war.
    Catherine bemerkte den Geruch nicht. Sie redete leise mit ihrem Vater, hielt dabei jetzt trotz Césars Protest seine Hand. »Du musst es schaffen, streng dich an. Du hast noch so viel zu tun. Herr Strassberg wartet auf deinen Bericht über die Bambuti, und ich habe schon die ersten Zeichnungen für unser gemeinsames Buch fertig. Du wirst sie mögen ...«
    So redete sie, was ihr gerade in den Sinn kam, und presste vor Anstrengung ihre Kiefer zusammen, dass sie schmerzten. Doch sie musste hilflos mit ansehen, wie sein Leben stückweise von ihm wich. Nach und nach verloren seine Gliedmaßen jegliche Farbe und wurden eiskalt. Die Kälte kroch seinen Rumpf hoch, das Flattern an seiner Kehle wurde schwächer und so unregelmäßig, dass sie auch nicht einen Lidschlag lang wagte, ihren Blick davon zu lösen.
    Plötzlich schrie er und blickte sie starr an. Er bewegte die Lippen, aber was immer er ihr sagen wollte, ertrank in einem Blutschwall. Langsam löste sich sein Blick von ihr, er machte sich bereit, seine letzte Reise anzutreten.
    Sie rief ihn, verzweifelt bemüht, ihn aufzuhalten. Aber sie erreichte ihn nicht mehr. Er starb ohne ein einziges Wort für sie.
    Der Kapitän ließ die Leiche sofort in die Persenning wickeln, einnähen und mit einem Tau verschnüren. Dann schickte er einen seiner Leute an Land, um einen Sack mit Sand zu füllen, und verholte inzwischen sein Schiff in die Mitte des Flusses, da dort die Wassertiefe größer war. Der Matrose kehrte schnell zurück, er hatte Mühe, den schweren Sack an Bord zu ziehen. Sie banden ihn dem Toten um die Mitte.
    »Sonst steht Monsieur da unten auf dem Grund des Flusses, und wenn die Ebbe kommt und das Wasser sinkt, streckt er womöglich den Kopf heraus. Das geht natürlich nicht«, erklärte ihr der Kapitän.
    Catherine starrte ihn nur an, unfähig zu fühlen und zu denken.
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    Nachdem der Kapitän mit sonorer Stimme aus der Bibel gelesen und ein Gebet gesprochen hatte, stimmte er in tiefem Bass »Näher mein Gott zu Dir« an.
    Keine zwei Stunden nach seinem Tod wurden die sterblichen Überreste von Louis le Roux den Fluten des Kongos übergeben. Der Sack mit dem Toten rutschte von der Planke über Bord, klatschte in das rasch fließende Wasser und ging sofort unter. Ein Schwall von Gestank nach verrotteten Pflanzen und toten Fischen, verfaultem Schlamm und süßlicher Verwesung schlug ihr ins Gesicht. Sie presste ihre Hand vor den Mund und sah hinunter. Obwohl das Wasser trübe war und die Sonne nur wenige Fingerbreit die Oberfläche durchdringen konnte, meinte sie erkennen zu können, wie er auf den Grund des Flusses sank und sich zwischen den langen, glitschigen Fingern der Wasserpflanzen verfing.
    »Wir segeln sofort«, teilte ihr der Kapitän knapp mit und brüllte ein paar Befehle. Die

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