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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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manchmal. Die Tagwache entledigt sich der überflüssigen Mitarbeiter, wobei sie uns gern die Arbeit überlässt. Und damit Trümpfe einstreicht, das Recht auf Gegenzüge, auf eine Veränderung des Gleichgewichts.
    Und jene Zwielicht-Gestalt, die mir den Fernsehturm in Ostankino gezeigt hatte, war eine Ausgeburt des Dunkels. Eine Rückversicherung, falls ich nicht erriet, wohin ich in den Kampf ziehen sollte.
    Während die eigentlichen Ereignisse ein einziger Anderer koordinierte.
    Sebulon.
    Gegen mich persönlich hatte er natürlich nicht das Geringste. Warum dann also diese komplizierten und schädlichen Gefühle in einem so ernsten Spiel? Solche wie mich verspeist er haufenweise zum Frühstück, nimmt sie vom Spielbrett und tauscht sie gegen seine Bauern aus.
    Wann glaubte er, dass die Partie verloren sei, dass er das Finale inszenieren müsse?
    »Haben Sie Feuer?«, fragte ich, während ich das Glas abstellte und mir die auf dem Tresen liegende Schachtel Zigaretten schnappte. Irgendjemand hatte sie vergessen, vielleicht ein Gast des Restaurants, der wie von Sinnen davongestürzt war, vielleicht ein Dunkler.
    In den Augen von Tigerjunges loderte es böse auf, sie spannte sich an. Noch einen Augenblick, das sah ich, und die Zauberin würde ihre Kampfgestalt annehmen. Vermutlich hatte sie die Kräfte des Gegners ebenfalls abgewogen und rechnete sich ernsthaft Chancen auf einen Sieg aus.
    Doch das war nicht nötig.
    Der Dunkle Magier, der alte Magier dritten Grades, hielt mir unachtsam das Feuerzeug hin. Das Ronson zischte melodisch und spuckte eine kleine Flammenzunge aus.
    »Ständig beschuldigt ihr das Dunkel«, fuhr der Magier fort, »ein doppeltes Spiel zu spielen, heimtückisch zu sein, zu provozieren. All das hat nur einen Zweck: eure eigene Lebensunfähigkeit zu kaschieren. Das eigene Unvermögen, die Welt und ihre Gesetze zu verstehen. Und damit letztendlich auch die Menschen. Ihr solltet zugeben, dass die Prognosen der Dunklen weitaus zutreffender sind. Indem wir den natürlichen Bedürfnissen der menschlichen Seele Tribut zollen, ziehen wir sie auf unsere Seite. Und was bringt euch eure Moral? Eure Lebensphilosophie? Hm?«
    Ich machte den ersten Zug, nickte freundlich und ging zur Treppe. Tigerjunges schaute mir irritiert nach. Versteh, errat doch selbst, warum ich jetzt gehe.
    Alles, was ich hier erfahren konnte, hatte ich erfahren.
    Genauer gesagt, fast alles.
    Ich beugte mich über einen Brillenträger mit kurzem Haarschnitt, der in seinen Laptop kroch.
    »Welche Bezirke schließen wir als letzte?«, fragte ich sachlich.
    »Botanischer Garten und die Errungenschaften«, antwortete er, ohne mich anzusehen. Der Cursor huschte über den Bildschirm. Der Dunkle gab Befehle, kostete seine Macht aus, bewegte auf der Karte Moskaus purpurrote Punkte. Ihn von seiner Aufgabe loszureißen würde schwieriger sein, als ihn von seiner Freundin loszueisen.
    Sie können nämlich auch lieben.
    »Danke«, sagte ich und versenkte die brennende Zigarette in dem vollen Ascher. »Du hast mir sehr geholfen.«
    »Null Problemo«, winkte der Operator ab, den Blick fest auf den Bildschirm geheftet. Seine Zunge arbeitete mit, als er einen weiteren Punkt auf der Karte anklickte: ein ganz gewöhnlicher Dunkler auf Treibjagd. Was freust du dich bloß so, Freundchen? Diejenigen, die die Fäden ziehen, tauchen auf deiner Karte nie auf. Du solltest lieber mit Zinnsoldaten spielen, das würde dir den gleichen Machtrausch bescheren.
    Ich raste die Wendeltreppe hinunter. Die Wut, mit der ich hierher gekommen war – um zu töten, eher aber noch um getötet zu werden –, war verpufft. Wahrscheinlich überkommt jeden Soldaten in der Schlacht irgendwann eiskalte Ruhe. Wie auch einem Chirurgen die Hände nicht mehr zittern, sobald ihm ein Kranker auf dem OP-Tisch wegzusterben beginnt.
    Welche Varianten hast du vorhergesehen, Sebulon?
    Dass ich in den Netzen der Treibjagd zu zappeln beginne und damit Lichte wie Dunkle anziehe, einfach alle, vor allem aber Swetlana?
    Vorbei.
    Dass ich mich ergebe oder gefangen werde und ein zäher, langwieriger, aufreibender Prozess beginnt, der mit einem wahnsinnigen Ausbruch Swetlanas vor dem Tribunal endet?
    Vorbei.
    Dass ich den Kampf mit dem ganzen operativen Stab aus angeschmierten Magiern aufnehme, alle erschlage, dabei aber in einer Falle sitze, drei Kilometer über dem Erdboden, und Swetlana zum Turm eilt?
    Vorbei.
    Dass ich mich in den Stab einschleiche, die Ohren aufhalte, mitkriege, dass keiner der

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