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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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zusammen sind, weil wir es wollen, nicht weil es auf dem Programm steht, das Geser erarbeitet hat.
    Ob ich wirklich verlernt hatte zu lächeln?
    Ich schüttelte den Kopf. Und zerrte ein feiges, trotziges Lächeln auf mein Gesicht. »Gehen wir. Ich bin noch kein verdienter Klappergreis der magischen Kriege. Gehen wir, Sweta.«
    Semjon war schon vorausgegangen, aber aus irgendeinem Grund wusste ich, dass er mir zuzwinkerte. Billigend. Der Abend brachte keine richtige Abkühlung, vertrieb aber die Schwüle. Bereits um sechs oder sieben hatten sich alle zu kleinen Grüppchen zusammengefunden. Am See blieben der unermüdliche Ignat, Lena und – seltsamerweise – auch Olga. Tigerjunges und Julja stromerten durch den Wald. Die übrigen hielten sich im Haus oder in seiner Nähe auf.
    Semjon und ich hatten den großen Balkon im ersten Stock okkupiert. Hier war es gemütlich, kam das kleine Lüftchen besser zur Geltung und standen Korbmöbel, in dieser Hitze einfach unschätzbar.
    »Nummer eins«, sagte Semjon und holte aus einer Plastiktüte mit einem Reklameaufdruck für Danone kids eine Flasche Wodka. »Smimowka.«
    »Hältst du was von dem?«, fragte ich zweifelnd. Ich hielt mich nicht für einen großen Wodkaexperten.
    »Ich trink ihn seit über hundert Jahren. Und früher war er viel schlechter, das kannst du mir glauben.«
    Nach der Flasche holte er zwei einfache Wassergläser aus der Tüte, ein Zweiliter-Einmachglas, unter dessen Blechdeckel kleine Gurken ihrer Bestimmung harrten, und eine große Tüte mit saurem Kohl.
    »Und womit spülen wir nach?«
    »Bei Wodka braucht man nicht nachzuspülen, mein Junge«, meinte Semjon kopfschüttelnd. »Das ist nur bei Surrogaten nötig.«
    »Wirst alt wie ‘ne Kuh …«
    »Das hättest du schon früher wissen müssen. Und was den Wodka angeht, brauchst du dir keine Gedanken zu machen, die Siedlung Tschernogolowka gehört zu meinem Kontrollgebiet. In der Fabrik arbeitet ein kleiner Hexenmeister, der nicht allzu garstig ist. Er liefert mir gute Ware.«
    »Du verzettelst dich mit Kleinkram«, wagte ich zu bemerken.
    »Tu ich nicht. Ich bezahle ihn mit Geld. Das läuft alles ganz ehrlich ab, ist unsere Privatsache, die Wachen haben damit nichts zu tun.«
    Mit einer geschickten Bewegung drehte Semjon den Verschluss der Flasche ab und goss jedem ein halbes Glas voll. Obwohl die Tasche den ganzen Tag auf der Veranda gestanden hatte, war der Wodka kalt.
    »Auf die Gesundheit?«, vermutete ich.
    »Zu früh. Auf uns.«
    Vorhin hatte er mich wirklich ausgenüchtert, und zwar richtig, mein Blut womöglich nicht vom Alkohol gereinigt, sondern auch von allen Stoffwechselprodukten. Ich trank das halbe Glas aus, ohne mich zu schütteln, und stellte verwundert fest, dass Wodka nicht nur im Winter bei Kälte wohl tut, sondern auch im Sommer nach einem heißen Tag.
    »Also dann.« Semjon grunzte zufrieden und lümmelte sich bequem hin. »Man sollte Tigerjunges dezent darum bitten, hier Schaukelstühle aufzustellen.«
    Er zog seine gräßlichen Jawas hervor und steckte sich eine an.
    »Ich rauch sie sowieso«, meinte er, als er meinen missbilligenden Blick auffing. »Aus Liebe zu meinem Land.«
    »Und ich liebe meine Gesundheit«, grummelte ich.
    Semjon schnaubte. »Hat mich doch einmal ein befreundeter Ausländer zu sich zu Besuch eingeladen«, setzte er an.
    »‘ne alte Sache?«, fragte ich, mich unwillkürlich seinem Stil anpassend.
    »Nein, voriges Jahr. Er hat mich eingeladen, um zu lernen, wie man sich in Russland betrinkt. Er hat im Penta ein Zimmer gehabt. Ich habe eine Zufallsbekanntschaft mitgenommen und ihren Bruder – der gerade aus dem Lager entlassen worden war und nicht wusste, wohin. So sind wir dann losgezogen.«
    Als ich mir die Gesellschaft vorstellte, schüttelte ich den Kopf. »Hat man euch denn reingelassen?«
    »Ja.«
    »Weil du Magie eingesetzt hast?«
    »Nein, weil mein ausländischer Freund Geld eingesetzt hat. Für Wodka und die Zuspeisen hatte er reichlich gesorgt, wir haben am 30. April angefangen zu trinken und am 2. Mai aufgehört. Die Zimmermädchen haben wir nicht reingelassen, den Fernseher nicht ausgeschaltet.«
    Ich sah Semjon an, der in einem zerknautschten karierten Hemd aus russischer Produktion, verwaschenen türkischen Jeans und ausgelatschten tschechischen Sandalen vor mir saß, und konnte mir ohne Probleme vorstellen, wie er frisch gezapftes Bier aus einem Dreiliterglas trank. Aber ins Penta passte er nur schwer.
    »Ihr Monster«, sagte ich voller

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