1 - Wächter der Nacht
rühren.«
»Abgemacht.«
Lächelnd ging sie aus dem Zimmer. Ich blieb einsam zurück, abgesehen natürlich von der Gesellschaft meiner Flasche armenischen Kognaks, an die man mitunter glauben möchte.
Eine wirklich prachtvolle Frau. Sie sind alle prachtvoll und gut, meine Freunde und Kameraden von der Wache. Durch die Musik von Queen hindurch hörte ich ihre Stimmen, was angenehm war. Mit einigen hatte ich engere Beziehungen, mit anderen weniger. Aber Feinde gab es unter ihnen nicht. Würde es nie geben. Gemeinsam hatten wir bereits ein Stück Weges hinter uns gebracht und würden ihn auch in Zukunft gemeinsam beschreiten, und wir würden uns nur aus einem einzigen Grund verlieren.
Warum war ich dann unzufrieden mit der Entwicklung? Nur ich – sowohl Olga wie auch Tigerjunges billigten das Vorgehen des Chefs, die anderen würden sich ihnen, fragte man sie direkt, anschließen.
Konnte ich die Lage nicht mehr objektiv beurteilen?
Vermutlich.
Ich trank einen Schluck Kognak und schaute durchs Zwielicht, suchte nach den trüben Feuern eines fremden Lebens ohne Intelligenz.
Im Wohnzimmer entdeckte ich drei Mücken, zwei Fliegen und ganz hinten in der Ecke unter der Decke eine kleine Spinne.
Ich bewegte meine Finger und formte ein winziges Feuerkügelchen mit einem Durchmesser von nur zwei Millimetern. Zielte auf die Spinne – zum Aufwärmen taugt eine unbewegliche Zielscheibe eigentlich besser – und schickte die Feuerkugel auf den Weg.
Meinem Verhalten haftete nichts Verwerfliches an. Wir sind keine Buddhisten, zumindest die meisten der Anderen Russlands nicht. Wir essen Fleisch, schlagen Fliegen und Mücken, vergiften Kakerlaken; wenn wir mal zu faul sind, jeden Monat neue Abschreckungszauber zu erlernen, werden die Insekten rasch immun gegen die Magie.
Nichts Verwerfliches. Es ist einfach komisch, geradezu sprichwörtlich – »mit Feuerkugeln auf Mücken zu schießen«. Der liebste Spaß von Kindern jeden Alters, die in den Kursen der Wache sitzen. Ich glaube, auch die Dunklen vergnügen sich auf diese Weise, nur dass sie nicht zwischen einer Fliege und einem Spatz, einer Mücke und einem Hund unterscheiden.
Die Spinne verbrannte ich sofort. Auch die halb schlafenden Mücken stellten kein Problem dar.
Jeden Sieg begoss ich mit einem Glas Kognak, wobei ich vorab mit der dienstbaren Flasche anstieß. Dann zog ich gegen die Fliegen in den Kampf, doch entweder hatte ich mittlerweile zu viel Alkohol im Blut oder die Viecher spürten weitaus besser, wenn sich die flammenden Punkte näherten. Für die erste brauchte ich vier Ladungen, schaffte es aber wenigstens, die falsch gezielten rechtzeitig zu zerstreuen. Die zweite schoss ich mit der sechsten Feuerkugel ab, wobei ich zwei Minikugelblitze in die Glastür einer Vitrine an der Wand feuerte.
»Wie unschön«, sagte ich reuevoll und trank den Kognak aus. Ich stand auf – das Zimmer schwankte. Ich ging zu der Vitrine, in der auf schwarzem Samt Schwerter prangten. Auf den ersten Blick 15. – 16. Jahrhundert, Deutschland. Der Strahler war nicht angeschlossen, sodass ich das genaue Alter nicht zu schätzen vermochte. Im Glas entdeckte ich kleine Einbuchtungen, aber die Schwerter selbst hatte ich nicht erwischt.
Ein Weilchen dachte ich darüber nach, wie ich mein Verhalten wieder gutmachen könnte, mir fiel aber nichts Besseres ein, als das verdampfte und im Zimmer verwehte Glas wieder an Ort und Stelle zu bringen. Dafür musste ich weitaus mehr Kraft aufwenden, als wenn ich die ganze Scheibe zertrümmert und eine neue erschaffen hätte.
Dann schaute ich in die Hausbar. Aus irgendeinem Grund wollte ich keinen Kognak mehr. Die Flasche mit mexikanischem Kaffeelikör schien mir dagegen ein guter Kompromiss zwischen den Wünschen, mich zu betrinken und wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Kaffee und Alkohol – beides in einer Flasche.
Ich drehte mich um und bemerkte in meinem Sessel Semjon.
»Die andern sind zum See gegangen«, teilte der Magier mit.
»Gleich«, versprach ich, als ich an ihn herantrat. »Ganz gleich.«
»Die Flasche stell lieber hin«, riet Semjon.
»Wozu?«, wollte ich wissen. Trotzdem stellte ich die Flasche hin.
Semjon sah mir unverwandt in die Augen. Die Barrieren funktionierten nicht, und die Falle erkannte ich zu spät. Ich versuchte, den Blick abzuwenden, konnte es aber nicht.
»Du Mistkerl«, presste ich hervor, während ich mich krümmte.
»Über den Korridor und rechts«, schrie Semjon mir hinterher. Sein Blick bohrte sich
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