Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
hinüber.
    »So stehen die Dinge, Anton«, nuschelte der Chef, das Mundstück der Wasserpfeife zwischen den Lippen. »So stehen sie. Siehst du das da?«
    Ich schaute zum Fenster hinaus und nickte.
    Der schwarze Wirbelwind wuchs aus einem achtstöckigen Haus heraus, das genau dem entsprach, in dem wir uns befanden. Der schmale geschmeidige Stängel des Wirbels wurzelte irgendwo im Erdgeschoss. Indem ich mich ins Zwielicht hineinstreckte, vermochte ich die Wohnung genau auszumachen.
    »Wie konnte das passieren?«, fragte ich. »Boris Ignatjewitsch, das ist kein Ziegel mehr, der einem auf den Kopf fällt … keine Gasexplosion im Hauseingang …«
    »Wir tun, was wir können.« Dem Chef schien daran gelegen, sich mir gegenüber zu rechtfertigen. »Wir haben alle Raketenbasen unter unserer Kontrolle, auch die in Amerika und Frankreich, in China werden die entsprechenden Maßnahmen gerade zum Abschluss gebracht. Schwieriger ist es mit taktischen Atomwaffen. Die einsatzfähigen Laserraketen können wir auf gar keinen Fall alle identifizieren. Bakteriologisches Dreckszeug gibt es in der Stadt genug … Vor etwa einer Stunde wäre es im Institut für Virenforschung beinahe zu einer Freisetzung gekommen.«
    »Das Schicksal täuscht man nicht«, bemerkte ich zögernd.
    »Eben. Wir stopfen ein Leck im Boden eines Schiffes. Dabei ist das Schiff bereits in der Mitte geborsten.«
    Mit einem Mal bemerkte ich, dass alle – der Dunkle Magier, Olga, Lena und die Kampfspezis – mich ansahen. Mir wurde unbehaglich zumute.
    »Boris Ignatjewitsch?«
    »Du bist mit ihr verbunden.«
    »Was?«
    Der Chef seufzte und nahm die Pfeife aus dem Mund, sodass kalter Opiumrauch zu Boden sickerte. »Du, Anton Gorodezki, Programmierer, alleinstehend und mit mittleren Fähigkeiten, bist mit der Frau verbunden, über der diese schwarze Sauerei hängt.«
    Der Dunkle Magier in der Ecke seufzte kaum hörbar auf. Etwas Besseres, als »Warum?« zu fragen, fiel mir nicht ein.
    »Ich weiß es nicht. Wir haben Ignat auf sie angesetzt, und der hat gute Arbeit geleistet. Du weißt, dass er jeden und jede bezirzen kann.«
    »Aber mit ihr hat es nicht geklappt?«
    »Doch. Nur dass der Strudel plötzlich gewachsen ist. In der halben Stunde, die sie miteinander verbracht haben, ist er von anderthalb Meter auf fünfundzwanzig Meter angewachsen. Wir mussten ihn zurückrufen … Umgehend.«
    Ich schielte zu dem Dunklen Magier hinüber. Sebulon schien zu Boden zu blicken, hob dann jedoch den Kopf. Diesmal brach meine Verteidigung nicht ein: Das Amulett schützte mich zuverlässig.
    »Wir brauchen das nicht«, sagte er leise. »Nur ein Wilder tötet einen Elefanten, um zum Frühstück ein Stück Fleisch zu haben.«
    Der Vergleich missfiel mir. Vermutlich log Sebulon aber nicht.
    »Ein solches Ausmaß an Zerstörung benötigen wir nur selten«, fügte der Dunkle Magier hinzu. »Momentan laufen bei uns keine Projekte, für die eine solche Freisetzung von Energie nötig wäre.«
    »Das will ich hoffen …«, ließ sich der Chef mit fremder, knarrender Stimme vernehmen. »Sebulon, du solltest wissen, dass wir im Falle einer Katastrophe … ebenfalls den größtmöglichen Nutzen herausholen würden.«
    Auf dem Gesicht des Dunklen Magiers deutete sich der Schatten eines Lächelns an.
    »Die Zahl der Menschen, die dann in Panik geraten werden, die Tränen vergießen und Kummer empfinden werden, wird ungeheuer sein. Doch größer, unermesslich viel größer wird die Zahl derjenigen sein, die gierig vor dem Fernseher kleben, sich an fremdem Leid laben, sich darüber freuen, dass die Katastrophe ihre Stadt verschont hat, die über das Dritte Rom witzeln, das seine Strafe ereilt … seine Gottesstrafe. Das weißt du, mein Feind.«
    Das war keine Schadenfreude – hochrangige Dunkle sind solch einer primitiven Reaktion gar nicht fähig. Sondern pure Information.
    »Und dennoch sind wir darauf vorbereitet«, sagte Boris Ignatjewitsch. »Das weißt du.«
    »In der Tat. Doch wir sind im Vorteil. Falls du nicht noch das eine oder andere Ass im Ärmel hast, Boris.«
    »Du weißt, dass ich immer vier Asse habe.«
    Der Chef wandte sich mir zu, als habe er jedes Interesse an dem Dunklen Magier verloren. »Anton, der Strudel wird nicht von der Tagwache gespeist. Er geht auf eine Einzelperson zurück. Auf einen unbekannten Dunklen Magier mit unglaublicher Kraft. Er hat Ignat gespürt und daraufhin das Wachstum forciert. Jetzt bist du unsere einzige Hoffnung.«
    »Warum?«
    »Ich habe es dir

Weitere Kostenlose Bücher