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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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…«
    Offenbar wussten alle, dass ich erwartet wurde.
    Ich betrat ein Zimmer und wollte im ersten Moment meinen Augen nicht trauen.
    Es gibt nichts Absurderes als einen Einsatzstab der Nachtwache, der in einer normalen Mietswohnung untergebracht ist.
    Über einer Frisierkommode, auf der sich diverse Kosmetika und Modeschmuck türmten, hing eine magische Kugel von mittlerer Größe. Die Kugel übertrug die Ansicht des Wirbels aus der Vogelperspektive. Daneben saß Lena, unsere beste Bildgeberin, schweigend und konzentriert auf einem kleinen gepolsterten Hocker. Sie hatte die Augen geschlossen, doch bei meinem Erscheinen hob sie leicht die Hand, um mich zu begrüßen.
    Gut, so weit war alles wie immer. Der Bildgeber der Kugel sieht den Raum in seiner Gesamtheit, ihm entgeht nichts.
    Auf dem unter Kissen begrabenen Bett hatte es sich der Chef in einer halb liegenden Position bequem gemacht. Er trug einen farbenfrohen Hausmantel, weiche orientalische Schuhe und ein buntes Käppchen auf dem Kopf. Der süße Rauch einer transportablen Wasserpfeife schwängerte den Raum. Die weiße Eule saß vor ihm. Allem Anschein nach verständigten sie sich auf nonverbale Weise.
    Auch das war völlig normal. In Momenten besonderer Anspannung kehrte der Chef stets zu den Gewohnheiten zurück, die er sich in Zentralasien zugelegt hatte. Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts hatte er dort gearbeitet und sich zunächst als Mufti, später als Anführer der Basmatschen, dann als roter Kommissar ausgegeben, um schließlich etwa zehn Jahre als Sekretär des Bezirkskomitees tätig zu sein.
    Am Fenster standen Danila und Farid. Selbst meine Fähigkeiten reichten aus, um das purpurfarbene Blinken der magischen Stäbe zu bemerken, die sie in ihren Ärmeln versteckt hatten.
    Absolute Standardvorkehrungen. Auf Schutz würde der Stab in solchen Momenten nicht verzichten. Danila und Farid waren zwar nicht die stärksten Kämpfer, verfügten jedoch über ungeheure Erfahrung, was mitunter weit wichtiger ist als rohe Kraft.
    Doch wie passte ein weiterer Anderer ins Bild, der sich im Zimmer aufhielt?
    Bescheiden hockte er in einem Eckchen, unauffällig. Der Mann war dünn wie eine Bohnenstange, hatte eingefallene Wangen, schwarzes, militärisch kurz geschnittenes Haar und große traurige Augen. Sein Alter ließ sich nicht schätzen, vielleicht war er dreißig, vielleicht aber auch dreihundert. Er trug dunkle Kleidung. Der locker sitzende Anzug und das graue Hemd passten hervorragend zu seinem Äußeren. Ein Mensch hätte den Mann womöglich für das Mitglied einer kleinen Sekte gehalten. Und irgendwie stimmte das ja auch.
    Es war ein Dunkler Magier. Zudem ein hochrangiger. Als er mich kurz ansah, spürte ich, wie die Schale meiner Abschirmung – die übrigens nicht von mir stammte! – Risse bekam und langsam eingedrückt wurde.
    Unwillkürlich trat ich einen Schritt zurück. Doch der Magier hatte den Blick bereits zu Boden gesenkt, als wolle er zu verstehen geben: Die Sondierung war lediglich ein Zufall und flüchtig.
    »Boris Ignatjewitsch.« Ich merkte, dass meine Stimme leicht kratzte.
    Der Chef nickte kurz, dann wandte er sich an den Dunklen Magier. Der starrte sofort den Chef an.
    »Gib ihm das Amulett«, befahl der Chef knapp.
    »Ich tue nichts, was der Vertrag verbietet …«
    Die Stimme des Dunklen nahm sich bedrückt und leise aus, wie die eines Menschen, auf dem alles Leid dieser Welt lastet.
    »Ich ebenfalls nicht. Aber meine Mitarbeiter müssen immun gegen jeden Beobachter sein.«
    Das war’s also! Zu unserem Stab gehörte ein Beobachter der Dunklen. Also befand sich irgendwo in der Nähe ein Stab der Tagwache, und dort saß einer von unseren Leuten.
    Der Dunkle Magier versenkte die Hand in der Tasche seines Jacketts, kramte darin herum und zog ein geschnitztes beinernes Medaillon heraus, das an einer Kupferkette hing. Er streckte es mir entgegen.
    »Wirf es her!«, sagte ich.
    Der Magier lächelte matt, melancholisch und mitleidig, und warf mir das Medaillon aus dem Handgelenk zu. Ich fing es auf. Der Chef nickte zufrieden.
    »Name?«, fragte ich.
    »Sebulon.«
    Diesen Namen hatte ich nie zuvor gehört. Entweder war der Mann kaum bekannt, oder er stand ganz oben an der Spitze der Tagwache.
    »Sebulon …«, wiederholte ich, während ich das Amulett betrachtete. »Du hast keine Macht mehr über mich.«
    Das Medaillon erwärmte sich in meiner Hand. Ich legte es über meinem Hemd an, nickte dem Dunklen Magier zu und ging zum Chef

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