Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
versucht, eine gefälschte Krankschreibung zu bekommen.«
    »Und?«
    »Sie hat da nicht mitgemacht.«
    »Alle Achtung. Wie sieht es bei denen mit der Magie aus?«
    »Praktisch nicht vorhanden. Der Neid bewegt sich im üblichen Bereich. Bei allen sind die magischen Fähigkeiten nur schwach ausgeprägt. Für einen solchen Wirbel würden sie nicht reichen.«
    »Sind Patienten gestorben? In letzter Zeit?«
    »Nein.«
    »Woher kommt dann dieser Fluch?«, stellte ich die rhetorische Frage. Jetzt wunderte mich gar nicht mehr, warum die Wache in eine Sackgasse geraten war. Swetlana musste ein Unschuldslamm sein. Fünf Feinde in fünfundzwanzig Jahren – Hut ab.
    Olga hüllte sich in Schweigen.
    »Wir sollten gehen«, sagte ich. Ich drehte mich zum Fenster zurück, wo ich die Silhouetten unserer Leute erkannte. Eine der Wachen winkte mir zu. »Olga, wie ist Ignat vorgegangen?«
    »Nach Schema F. Er hat sie auf der Straße angesprochen, hat den schüchternen Intelligenzler gemimt. Dann einen Kaffee in der Bar. Gespräche. Das Objekt hat rasch Sympathie für ihn entwickelt. Ignat hat dann die Bekanntschaft forciert. Hat Sekt und Likör gekauft, und die beiden sind hierher gekommen.«
    »Weiter.«
    »Der Wirbel fing an zu wachsen.«
    »Aus welchem Anlass?«
    »Aus keinem. Ignat hat ihr gefallen, ja, sie hat sich sogar stark zu ihm hingezogen gefühlt. Doch in dem Moment wuchs der Strudel an, und zwar katastrophal schnell. Ignat hat drei Verhaltensmuster ausprobiert, hat ihr eine unmissverständliche Einladung abgerungen, über Nacht zu bleiben, doch danach fing der Wirbel vehement zu wachsen an. Ignat wurde abberufen. Daraufhin hat sich der Wirbel stabilisiert.«
    »Wie hat man ihn abberufen?«
    Ich war schon fast erfroren, meine Schuhe fürchterlich durchweicht. Und immer noch war ich nicht bereit zu handeln.
    »Die Nummer mit der kranken Mutter. Ein Anruf übers Handy, ein kurzes Telefonat, Entschuldigungen und das Versprechen, morgen anzurufen. Alles sauber, das Objekt hat keinen Verdacht geschöpft.«
    »Und daraufhin hat sich der Strudel stabilisiert?«
    Olga schwieg, offenbar stand sie gerade mit den A-nalytikern in Verbindung.
    »Er ist sogar ein wenig eingesackt. Drei Zentimeter. Das kann aber ebenso gut der übliche Rückgang sein, der auftritt, wenn der Strudel nicht mehr gespeist wird.«
    Irgendetwas stimmte hier nicht. Auch wenn ich meinen vagen Verdacht nicht formulieren konnte.
    »Für welchen Abschnitt ist sie zuständig, Olga?«
    »Für den hier. Ihr Haus eingeschlossen. Zu ihr kommen oft kranke Leute.«
    »Gut. Dann geh ich als Patient zu ihr.«
    »Brauchst du Hilfe, um ihr eine falsche Erinnerung einzugeben?«
    »Das schaff ich.«
    »Der Chef ist einverstanden«, sagte Olga nach einer kurzen Pause. »An die Arbeit. Deine Legende: Anton Gorodezki, Programmierer, unverheiratet, seit drei Jahren in Behandlung, Diagnose Magengeschwür, wohnhaft in diesem Haus, Wohnung Nr. 64. Die steht im Moment leer, gegebenenfalls halten wir dir den Rücken frei.«
    »Drei Jahre kriege ich nicht hin«, gab ich zu. »Ein Jahr. Höchstens ein Jahr.«
    »Gut.«
    Ich schaute Olga an, die wiederum mich ansah, mit ihrem starren Vogelblick, in dem gleichwohl etwas von jener schmutzigen aristokratischen Frau lag, die in meiner Küche Kognak getrunken hatte.
    »Viel Glück«, wünschte Olga mir. »Sieh zu, dass der Strudel kleiner wird. Wenigstens zehn Meter … Dann versuch ich es.«
    Der Vogel flog auf und drang sofort ins Zwielicht ein, verschwand irgendwo in seinen tiefsten Schichten.
    Seufzend ging ich zum Hauseingang. Der Rüssel des Wirbels schlenkerte hin und her und versuchte mich zu streifen. Ich streckte ihm die Handflächen entgegen und formte mit ihnen das Xamadi, das Zeichen der Negation.
    Der Wirbel erzitterte und wich zurück. Ohne Furcht, so als habe er die Regeln des Spiels begriffen. Wenn das drohende Inferno bereits solche Ausmaße zeigt, muss es intelligent sein, keine dumpfe Zielsuchrakete, sondern eher ein unerbittlicher und erfahrener Kamikaze. Das klingt komisch: ein erfahrener Kamikaze, doch in Bezug auf das Dunkel ist dieser Ausdruck gerechtfertigt. Wenn der Höllenwirbel in die Menschenwelt einbricht, muss er sterben, doch das bedeutet nicht mehr als der Tod einer Wespe in einem riesigen Schwarm.
    »Deine Stunde ist noch nicht gekommen«, sagte ich. Das Inferno antwortete natürlich nicht, trotzdem verlangte es mich danach, diese Worte auszusprechen.
    Ich ging an dem Stängel vorbei. Der Wirbel schien aus

Weitere Kostenlose Bücher