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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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schon gesagt: Ihr seid miteinander verbunden. Anton, das Wahrscheinlichkeitsfeld weist drei Möglichkeiten auf.«
    Der Chef machte ein Zeichen mit der Hand, und in der Luft entrollte sich die weiße Fläche einer Leinwand. Sebulon verzog das Gesicht, vermutlich hatte ihn der Energieausstoß leicht gestreift.
    »Die erste Entwicklungslinie«, sagte der Chef. Über die weiße Leinwand, die freischwebend in der Mitte des Zimmers hing, lief ein schwarzer Streifen. Am Ende blähte er sich zu einem unförmigen Klecks auf, der über den Rand des Schirms hinausreichte. »Der wahrscheinlichste Weg. Der Strudel erreicht sein Maximum, und das Inferno bricht durch. Millionen von Opfern. Eine globale Katastrophe – atomarer Art, biologischer, ein Asteoridenniederschlag, ein Erdbeben der Stärke zwölf. Alles, was du dir nur vorstellen kannst.«
    »Was ist mit einem direkten Ausbruch des Infernos?«, fragte ich vorsichtig. Ich linste zum Dunklen Magier hinüber: Seine Miene wirkte unbeteiligt.
    »Nein. Wohl kaum. Die Schwelle ist noch lange nicht erreicht.« Der Chef nickte. »Andernfalls hätten sich Tag- und Nachtwache meiner Ansicht nach schon gegenseitig vernichtet. Der zweite Weg …«
    Eine dünne Linie, die von dem schwarzen Streifen abging. Ein abgerissener Ausläufer.
    »Die Vernichtung des Ziels. Der Wirbel löst sich auf, sobald sein Ziel stirbt – ganz von selbst.«
    Sebulon bewegte sich. »Ich bin gern bereit, bei dieser kleinen Aktion behilflich zu sein«, bot er liebenswürdig an. »Die Nachtwache kann das allein nicht bewerkstelligen, nicht wahr? Wir stehen also zu Ihren Diensten.«
    Stille senkte sich herab. Dann lachte der Chef los.
    »Wie Sie wollen.« Sebulon zuckte mit den Schultern. »Ich wiederhole, dass wir unsere Dienste anbieten. Wir brauchen keine globale Katastrophe, die augenblicklich Millionen Menschen tötet. Noch nicht.«
    »Der dritte Weg«, sagte der Chef mit Blick auf mich. »Schau genau hin!«
    Eine weitere Linie schlängelte sich aus der gemeinsamen Wurzel heraus. Verjüngte sich und verlief im Nichts.
    »Er besteht darin, dass du auf den Plan trittst, Anton.«
    »Was soll ich tun?«, fragte ich.
    »Ich weiß es nicht. Die Wahrscheinlichkeitsprognose gibt nie genaue Hinweise. Bekannt ist nur eins: Dass du den Strudel bannen kannst.«
    Mir huschte der dumme Gedanke durch den Kopf, dass mein Test noch nicht abgeschlossen war. Die Erprobung im Einsatz … Den Vampir hatte ich getötet, und jetzt … Doch nein. Das konnte nicht sein. Nicht, wenn so viel auf dem Spiel stand!
    »Ich habe noch nie einen schwarzen Strudel gebannt.« Meine Stimme klang irgendwie fremd, nicht unbedingt verängstigt, eher erstaunt. Der Dunkle Magier Sebulon kicherte – auf widerwärtige, weibische Weise.
    »Ich weiß, Anton«, meinte der Chef nickend.
    Dann erhob er sich, zog den Hausmantel fest um sich und kam auf mich zu. Er sah ziemlich komisch aus, zumindest in dieser normalen Moskauer Wohnung erinnerte er mit seinem orientalischen Auftreten an eine misslungene Karikatur.
    »Noch nie zuvor hat irgendjemand einen solchen Strudel gebannt. Du bist der Erste, der das versucht.«
    Ich schwieg.
    »Bedenke auch Folgendes, Anton: Wenn dir irgendein Fehler unterläuft – und sei er auch noch so klein, irgendetwas –, dann bist du der Erste, der verbrennt. Dir wird nicht einmal genug Zeit bleiben, ins Zwielicht zu gelangen. Du weißt, was mit den Lichten passiert, wenn sie in einen Durchbruch des Infernos geraten?«
    Meine Kehle trocknete aus. Ich nickte.
    »Verzeihen Sie, mein gütigster Feind«, bemerkte Sebulon amüsiert. »Räumen Sie Ihren Mitarbeitern nicht das Recht der Wahl ein? Selbst im Krieg fordert man in solchen Situationen … Interessenten auf.«
    »Wir haben Freiwillige aufgefordert«, erwiderte der Chef, ohne sich umzudrehen. »Wir alle sind Freiwillige, seit langem schon. Und eine Wahl haben wir nicht.«
    »Wir schon. Immer.« Der Dunkle Magier kicherte erneut.
    »Indem wir den Menschen das Recht der Wahl zubilligen, nehmen wir es uns selbst. Sebulon …« Boris Ignatjewitsch schielte zu dem Dunklen Magier hinüber. »… du plagst dich hier vor fremdem Publikum. Stör lieber nicht.«
    »Ich sage kein Wort mehr.« Sebulon senkte den Kopf und kauerte sich zusammen.
    »Versuch es«, sagte der Chef. »Anton, ich kann dir keinen Rat geben. Du musst es einfach versuchen. Ich bitte dich, versuche es. Und … vergiss alles, was ich dir beigebracht habe. Glaube nicht an das, was ich dir gesagt habe, glaube nicht

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