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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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rabenschwarzem Glas gemacht, das eine gummiartige Flexibilität aufwies. Die Außenseite bewegte sich kaum, doch in der Tiefe, wo das dunkle Blau in ein unergründliches Dunkel überging, ließ sich eine wütende Rotation erahnen.
    Vielleicht irrte ich mich ja auch. Vielleicht war seine Stunde in ebendiesem Moment gekommen …
    Die Haustür hatte noch nicht einmal ein Codeschloss, oder besser gesagt, es gab eins, doch das war aus der Wand gerissen und demoliert. Nicht weiter verwunderlich. Ein kleiner Gruß des Dunkels. Seine kleinen Flecken sah ich mittlerweile gar nicht mehr, die Graffiti und die Abdrücke von Schuhen an den Wänden, die zerschlagenen Lampen und die zugemüllten Fahrstühle. Aber jetzt war ich kurz davor auszurasten.
    Nach der Wohnungsnummer brauchte ich nicht zu fragen. Ich spürte das Mädchen – trotz ihrer Ehe konnte sie wohl noch Mädchen genannt werden, das ist ja eher eine Frage des Alters –, wusste, wohin ich gehen musste, sah ihre Wohnung bereits, besser, ich sah sie nicht, sondern nahm sie in ihrer Gesamtheit war.
    Das Einzige, was ich nicht wusste, war, wie ich diesen verdammten Strudel beseitigen sollte …
    Vor der Wohnungstür blieb ich stehen. Es war eine gewöhnliche Tür, keine aus Stahl, was für eine Wohnung im Hochparterre sehr seltsam ist, vor allem angesichts des herausgerissenen Schlosses am Hauseingang. Ich seufzte auf und klingelte. Elf Uhr. Schon spät, sicher.
    Ich hörte Schritte. Keinerlei Schallisolation …

Sieben
    Ohne weiteres öffnete sie die Tür.
    Keine Fragen, kein Blick durch den Spion, keine vorgelegte Kette. Und das in Moskau! Nachts! Wo sie allein zu Hause war! Der Wirbel hatte die letzten Reste ihrer Vorsicht vertilgt, ebenjener Achtsamkeit, die es der jungen Frau ermöglicht hatte, ein paar Tage durchzuhalten. So sterben sie dann in der Regel auch, die Leute, auf denen ein Fluch lastet …
    Äußerlich merkte man Swetlana noch nichts an. Ein leichter Schatten unter den Augen, aber wer vermochte schon zu sagen, was für eine Nacht sie hinter sich hatte. Und wie sie angezogen war: Rock, eine hübsche Bluse, Pumps – als erwarte sie jemanden oder wolle ausgehen.
    »Guten Abend, Swetlana«, sagte ich und bemerkte in ihren Augen bereits das Aufflackern des Erkennens. Sicher, vage würde sie sich von gestern her an mich erinnern. Und diesen Moment, in dem ihr schwante, dass wir uns kannten, sie aber noch nicht wusste, woher, musste ich nutzen.
    Ich reckte mich im Zwielicht hinein. Vorsichtig, denn der Wirbel hing wie angeklebt über dem Kopf der Frau und konnte jede Sekunde reagieren. Vorsichtig, denn ich wollte sie nicht täuschen.
    Nicht einmal zu ihrem Besten.
    Das Ganze ist nur beim ersten Mal interessant und komisch. Findest du auch danach noch Gefallen daran, bist du bei der Nachtwache fehl am Platze. Es ist eine Sache, moralische Imperative zu ändern, und zwar immer zugunsten des Guten. Etwas andres ist es, ein Gedächtnis zu manipulieren. Das ist unvermeidlich, muss sein, das ist ein Teil des Vertrags, und allein schon unser Ein- und Auftauchen aus dem Zwielicht zieht bei den Umstehenden eine sekundenkurze Amnesie nach sich.
    Doch wenn du erst einmal Vergnügen am Spiel mit einem fremden Gedächtnis findest, dann ist es Zeit für dich zu gehen.
    »Guten Abend, Anton.« Ihre Stimme zerfloss ein wenig, als ich sie zwang, sich an etwas zu erinnern, das sie nie erlebt hatte. »Was ist denn mit Ihnen los?«
    Mit schiefem Lächeln schlug ich mir gegen den Bauch. In Swetlanas Gedächtnis tobte jetzt ein Orkan. So begabt, ihr ein komplett falsches Gedächtnis einzugeben, bin ich nicht. Doch zum Glück taten es zwei, drei Anspielungen, danach täuschte sie sich selbst. Sie setzte sich mein Bild aus einem alten Bekannten zusammen, dem ich äußerlich ähnelte, einem anderen, noch älteren und flüchtigen Bekannten, der ihr aber sympathisch war, aus zwei Dutzend Patienten meines Alters sowie aus einigen Nachbarn im Haus. Ein leichter Anstoß meinerseits genügte, um diesen Prozess in Gang zu setzen, der Swetlana dann das fertige Bild lieferte. Ein guter Mensch – Neurastheniker –, ist wirklich häufig krank … Manchmal flirtet er ein wenig, aber eben nur ein wenig – er ist nicht sehr selbstsicher. Wohnt im selben Haus, einen Aufgang weiter.
    »Haben Sie Schmerzen?« Selbst jetzt schaffte sie es noch, sich zu konzentrieren. Wirklich, eine gute Ärztin. Eine Ärztin aus Berufung.
    »Ein bisschen. Hab gestern einen über den Durst getrunken.« Ich war die

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