10 - Das Kloster Der Toten Seelen
Porth Clais auf das nächste Schiff warten sollen.«
Eadulf wußte, daß sie nicht glaubte, was sie da von sich gab. Sie war hier in ihrem Element, sie ging diesem rätselhaften Fall nach. Ihr das zu verwehren würde bedeuten, ihr ihr Lebenselixier zu nehmen.
»Das liegt alles bloß an mir«, sagte er nach einer Weile. »Ich bin ja derjenige, der hier Trübsal bläst.«
Fidelma blickte ihn rasch an, um zu sehen, ob er das aufrichtig meinte. Dann schüttelte sie den Kopf. »Ich glaube, die Schwierigkeiten haben mit meiner Entscheidung am Loch Garman begonnen, als unser Schiff dort lossegelte.« Ihre Stimme war ganz emotionslos.
Eadulf preßte die Lippen aufeinander. Er sagte nichts.
Fidelma wartete einen Moment, und als er immer noch schwieg, fuhr sie fort: »Die Weisen sagen ne cede malis , aber das ist offenbar genau das, was wir hier tun. Wir unterwerfen uns dem Mißgeschick. Das haben wir noch nie getan.«
»Auf diesem Land lastet ein Fluch«, stieß Eadulf zornig hervor.
»Ein Fluch?« Fidelma mußte lächeln. »Ich habe noch nie erlebt, daß du dich auf den Aberglauben deines Volkes berufst, Eadulf.«
Eadulf errötete. Ihm war durchaus bewußt, daß die meisten Christen aus anderen Ländern die erst kürzlich zum neuen Glauben bekehrten Angeln und Sachsen nicht für echte Christen hielten. Er dachte an die Leiche des toten Hwicce in dem Sarkophag in Llanpadern und das Gerücht über ein sächsisches Schiff, das auf Beutezug war. Er wußte wohl, wie sehr die Britannier in diesen Königreichen die Angeln und Sachsen haßten. Er hatte bisher immer das Gefühl gehabt, über den Schandtaten seines Volkes zu stehen, die sie in dem jahrhundertelangen blutigen Kampf zur Vertreibung der Britannier nach Westen begangen hatten. Die sächsischen Kriege hatten nichts mit ihm zu tun, meinte er. Die sollten lieber von der Kirche verurteilt werden, er hatte keinen Anteil daran. Daß Fidelma ihn in Verbindung brachte mit …
Seine finsteren Gedanken wurden unterbrochen. Jemand hatte den Raum betreten und kam auf den Tisch zu, an dem sie saßen. Es war Buddog.
»Ich bin gekommen, um den Tisch zu decken«, verkündete die Haushälterin leise und nahm Teller von einem Holztablett.
Fidelma beobachtete die strenge, verschlossene Frau mißtrauisch. »Weißt du schon das Neueste?«
Buddog fuhr mit ihrer Arbeit fort. »Was Bruder Meurig betrifft? Ja, das habe ich gehört.«
»Gwnda behauptet, daß der Richter von Idwal umgebracht wurde.«
»Das geht mich nichts an.«
»Ich kann mich erinnern, daß du das letztemal, als wir hier waren, Bruder Meurig zu verstehen gegeben hast, daß Idwal ein wenig Mitleid verdient hätte.«
»Das habe ich nicht gesagt«, erwiderte Buddog schroff.
»Was hast du denn gesagt?«
»Ich sagte, falls Idwal Mair umgebracht hat, hätte sie es auch verdient.«
»Ach ja«, bemerkte Fidelma. »Das stimmt. Deiner Meinung nach war sie flatterhaft und hat den Männern den Kopf verdreht. Wieso war das so? Welche Gründe hattest du, so zu reden?«
»Mair war durchtrieben. Launisch. Sie wickelte die Männer um den Finger. Sie konnte mit ihnen anstellen, was sie wollte.«
»Richtig, jetzt fällt es mir wieder ein. Doch damit sagst du, daß sie kaum noch Jungfrau war, wofür sie ihr Vater ja hielt.«
»Was wußte denn Iorwerth schon davon, was Mair tat? Eine schöne Jungfrau, wirklich«, warf Buddog höhnisch ein. »Sie hat die Begierden der Männer als Waffe gegen sie eingesetzt.«
»Du scheinst sie ja sehr gut gekannt zu haben. Jedenfalls besser als ihr Vater«, meldete sich Eadulf zu Wort.
»Ich kannte sie. Sie war oft genug hier.«
»So. Sie war ja Elens Freundin, nicht wahr? Doch was die männlichen Begierden betrifft – wer waren denn ihre Opfer? Meinst du Idwal damit?«
»Und andere.«
»Welche anderen?«
Da öffnete sich die Tür. Ein attraktives dunkelhaariges Mädchen trat ein. Eadulf brauchte einen Moment, ehe er sich besann, daß es sich um Elen handelte, die Tochter von Gwnda, Fürst von Pen Caer. Sie zögerte, als sie Buddog erblickte. Die Dienerin nutzte die Gelegenheit, den Raum mit gesenkten Augen zu verlassen.
»Stimmt es?« waren die ersten Worte, die Elen fast außer Atem hervorbrachte. »Stimmt es, daß Bruder Meurig ermordet wurde und daß ihr nach Idwal sucht, der ihn aus Rache umgebracht haben soll?«
Fidelma bedeutete dem Mädchen, sich auf einen Stuhl neben sie zu setzen. Elen befolgte ihre wortlose Aufforderung und nahm Platz. Dann wiederholte sie noch einmal mit
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