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10 - Der Ölprinz

10 - Der Ölprinz

Titel: 10 - Der Ölprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Gewehres; seine Sinne sind geschärft, weil von der Feinheit derselben hundertmal sein Leben abgehangen hat und noch abhängen wird. Wer sich diese Sinnesschärfe nicht anzueignen vermag, der geht verloren. Wie verschieden ist die menschliche Stimme! Man hört einen Bekannten unter Tausenden heraus. Und wie ist es zum Beispiel mit dem Hundegebell? Erkennst du deinen Phylar, Cäsar, Ami oder Nero nicht sofort an der Stimme? So ist es auch mit den Gewehren. Ein jedes hat eine andre, seine eigene Stimme; das weiß und hört freilich nur derjenige, der ein Ohr dafür hat.
    Als die beiden Schüsse, an denen die Freunde einander sich erkannten, gefallen waren, verließen sie ihre bisherige Richtung und ritten aufeinander zu, Old Shatterhand westlich und Winnetou östlich. Um den andern genau zu finden, schoß jeder noch einmal; dann trafen sie auf einer kleinen Lichtung zusammen, sprangen von den Pferden und umarmten und küßten einander.
    „Wie freut sich meine Seele, meinen guten, weißen Bruder schon heut zu treffen!“ sagte Winnetou. „Wir wollten erst übermorgen uns auf Forners Rancho finden. Mein Herz sehnte sich seit langer Zeit nach dir, und meine Gedanken eilten dir viele Tagesreisen weit entgegen.“
    „Auch ich bin ganz glücklich, den besten und edelsten meiner Freunde bei mir zu haben“, erwiderte Old Shatterhand. „Ich habe an dich mit Sehnsucht gedacht; du hast mir gefehlt, seit ich von dir schied, und meine Seele ist nun stille, da ich dich vor mir sehe. Wie ist es meinem Bruder während dieser langen Zeit ergangen?“
    „Die Sonne steigt und fällt wieder nieder; die Tage kommen und gehen; das Gras wächst und verdorrt; Winnetou aber ist derselbe geblieben. Hat mein weißer Bruder viel erlebt, seit ich ihn zum letzten Mal sah?“
    „Viel! Nicht jeder Tag ist schön, und unter den Blumen der Prärie gibt es manche giftige. Dieser Prärie gleicht die Vergangenheit. Aber auch ich bin noch der, der ich war. Wenn wir am Lagerfeuer sitzen, werden wir uns erzählen, was wir erlebt und erfahren haben. Weiß mein Bruder einen Platz, an dem es sich gut ruhen läßt?“
    „Ja. Wenn wir noch eine Stunde reiten, kommen wir über ein kleines Wasser, in welches sich ein Seitenquell ergießt. Da, wo dieser Quell entspringt, ist der Ort von allen Seiten mit Gebüsch umgeben, durch welches kein Auge dringen kann. Dort dürfen wir ein Feuer haben, an welchem wir den Waschbären braten, den ich soeben geschossen habe. Mein Bruder mag mit mir kommen!“
    Sie ritten weiter unter den hohen, lichten Bäumen des Waldes hin. Es war hier ziemlich düster, denn die Sonne hatte sich, was man aber im Wald nicht bemerken konnte, dem Horizont weit zugeneigt.
    Als eine Stunde ziemlich vergangen war, erreichten sie das Wasser, den kleinen, schmalen Bach, von welchem Winnetou gesprochen hatte. Sie ritten über denselben hinüber und – hielten sofort ihre Pferde an, denn sie erblickten im Gras einen Streif, eine niedergetretene Fährte, welche von links her kam und nach rechts am Wasser weiterführte. Beide stiegen ab, um die Spur zu betrachten und zu lesen, und beide richteten sich nach wenigen Augenblicken zu gleicher Zeit wieder auf. Sie waren im Spurenlesen gleich gut bewandert.
    „Fünf Reiter“, sagte Old Shatterhand, „mit ziemlich müden Pferden.“
    „Erst vor einigen Minuten hier vorübergekommen“, ergänzte Winnetou. „Werden nicht weit von hier Lager machen. Was beschließt Old Shatterhand?“
    „Wir dürfen sie nicht unbeachtet lassen, sondern müssen sehen, wer sie sind. Mein Bruder wird wissen, daß der Tomahawk des Krieges ausgegraben ist. Da muß man vorsichtig sein.“
    Sie schritten nach einem dichten Gebüsch, welches in der Nähe stand, führten die Pferde hinein, um sie einstweilen zu verbergen, banden sie an und legten ihnen die Hände auf die Nasen. Das war das Zeichen für die indianisch dressierten Tiere, sich ruhig zu verhalten und nicht etwa durch ein lautes Schnauben zu verraten. Dann kehrten sie zu dem Wasser zurück und folgten der Spur mit langsamen, unhörbaren Schritten. Sie waren beide Meister im Anschleichen und benutzen jeden Raum, jeden Strauch, jede Biegung des Baches zur Deckung für sich.
    Kaum waren sie fünf Minuten gegangen, so blieb Winnetou stehen und sog die Luft durch die Nase ein. Old Shatterhand tat dasselbe und spürte Rauch.
    „Sie befinden sich ganz in der Nähe und haben ein Feuer“, flüsterte er Winnetou zu. „Es müssen Weiße sein, denn ein Roter würde nicht

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