10 - Der Ölprinz
daß Khasti-tine von Mokaschi erschossen worden sei.
Die Navajos hatten bis jetzt schweigend zugehört, doch läßt sich denken, daß sowohl der Häuptling als auch seine Squaw innerlich nicht so ruhig waren, wie sie sich äußerlich zeigten; sie wußten ja ihren Sohn in großer Gefahr. Auch Wolf hing mit gespannter Aufmerksamkeit an den Lippen des Erzählers. Sie ahnten nicht, daß die Gefangenen sich befreit hatten und daß der Ölprinz um seines Vorteiles willen so arg log. Jetzt machte er eine Pause, und der Häuptling benutzte dieselbe, zu fragen: „Wie ist es euch denn gelungen, zu entfliehen?“
„Mit Hilfe eines kleinen Federmessers, welches die Nijoras nicht bemerkt hatten. Unsre Hände waren zwar gebunden, trotzdem aber konnte einer meiner beiden Gefährten mir in die Tasche greifen und das Messerchen herausnehmen und öffnen, und als er mir meine Fesseln zerschnitten hatte, konnte ich dies dann auch mit den ihren tun.“
Der ‚Große Donner‘ blickte eine Weile vor sich nieder; dann hob er rasch den Kopf und fragte: „Und dann?“
„Dann sind wir schnell aufgesprungen und zu den Pferden gerannt; wir bestiegen die drei ersten besten und jagten davon.“
„Wurdet ihr verfolgt?“
„Ja, aber nicht eingeholt.“
„Warum machtet ihr nur euch frei und nicht auch die andern?“
Das war eine verfängliche Frage, bei welcher er sein Auge scharf auf den Ölprinzen richtete. Dieser sah ein, daß er sich jetzt zusammennehmen müsse, und antwortete: „Weil wir keine Zeit dazu fanden. Einer der Wächter sah, daß wir uns bewegten; er kam herbei; da konnten wir natürlich nichts anderes tun als davoneilen.“
Er glaubte eine genügende Erklärung gegeben zu haben und betrachtete es darum gar nicht als Hinterlist, als sich der Häuptling weiter erkundigte: „Du hast das kleine Messer noch?“
„Ja.“
„Ihr habt neben den andern Gefangenen gelegen?“
„Ja.“
Er hätte jetzt viel lieber ‚nein‘ gesagt, das war aber nun nicht mehr möglich, da er vorhin das Gegenteil behauptet hatte. Er begann, die Absicht zu ahnen, welche der ‚Große Donner‘ verfolgte, und wirklich meinte dieser nun in einem sehr strengen Ton: „Hätte ich nicht die Pfeife des Friedens mit euch geraucht, so würde ich euch jetzt in Fesseln legen lassen!“
„Warum?“ fragte Grinley erschrocken.
„Weil ihr entweder Lügner oder feige Schurken seid.“
„Wir sind keins von beiden!“
„Schweig! Entweder belügt ihr jetzt uns, oder ihr habt euch gegen eure Mitgefangenen wie Schufte benommen!“
„Wir konnten sie nicht retten!“
„O doch! Und wenn nichts andres möglich war, so konntest du dem Nächsten, der bei euch lag, das kleine Messer geben.“
„Dazu war die Zeit zu kurz.“
„Lüge nicht! Und wenn du recht hättest, so mußtet ihr die Nijoras überlisten. Während sie euch verfolgten, mußtet ihr heimlich zurückkehren und die Gefangenen befreien.“
„Das war uns unmöglich. Wenn uns nun auch zwanzig oder dreißig folgten, die übrigen zweihundertsiebzig waren doch zurückgeblieben.“
Kaum hatte er dieses Wort gesagt, so bereute er es. Es zeigte sich auch gleich, daß er einen großen, einen unverzeihlichen Fehler begangen hatte, denn der Häuptling fragte: „Also waren es dreihundert?“
„Ja.“
„Du siehst, daß wir viel mehr sind, und doch sagtest du vorhin, daß sie uns weit überlegen seien. Du hast zwei Zungen, hüte dich!“
„Ich hatte euch nicht genau gezählt“, entschuldigte sich Grinley.
„So öffne deine Augen besser! Wenn du bei Nacht siehst, wie groß die Zahl der Nijoras ist, mußt du jetzt am Tag doch viel besser wissen, wie viele Krieger hier beisammen sind. An welchem Ufer lagerten die Nijoras?“
„Am rechten.“
„Wann wollten sie aufbrechen?“
„Erst nach einigen Tagen“, log der Ölprinz, „weil sie noch weitere Krieger erwarteten.“
„Beschreib uns die Stelle genau!“
Er tat es, so gut er konnte, und fügte dann hinzu: „Jetzt habe ich alles gesagt, was ich sagen konnte, und ich hoffe, daß du dein Wort halten wirst. Gebt uns Waffen und laßt uns weiter ziehen!“
Der ‚Große Donner‘ wiegte seinen Kopf bedenklich hin und her und antwortete nach einer Weile: „Ich bin Nitsas-Ini, der oberste Häuptling der Navajos, und habe noch nie mein Wort gebrochen. Aber habt ihr denn auch bewiesen, daß eure Worte die Wahrheit enthalten?“
„Du mußt doch zugeben, daß alles stimmt, was ich gesagt habe!“
„Es stimmt, aber du kannst trotzdem ein
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