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10 - Der Ölprinz

10 - Der Ölprinz

Titel: 10 - Der Ölprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Wieso?“
    „Das wissen Sie nich?“
    „Nein.“
    „Na, da sagen Sie nun nich mehr, daß Sie die Indianer kennen!“
    „Aber, Herr Franke, von einem Senfindianer habe ich wirklich noch nichts gehört.“
    „Nich? Da hört doch alles off! Es gibt nich nur eenen, sondern sogar zwee Senfindianer. Und da kennen Sie wirklich keenen davon?“
    „Nein.“
    „Weder den alten noch den jungen?“
    „Nein. Vielleicht sind Sie so gut, mich aufzuklären.“
    „Ja, ich will die Güte haben.“
    „Wo leben denn diese beiden Senfindianer?“
    „Das tut gar nischt zur Sache; es genügt für Sie, zu wissen, daß sie in Washington gewesen sind.“
    „In Washington? So?“
    „Ja, beim großen, weißen Vater. Sie wissen vielleicht, wer mit diesen Worten gemeent sein soll?“
    „Ja. Die Indianer pflegen den Präsidenten der Vereinigten Staaten den ‚großen, weißen Vater‘ zu nennen.“
    „Richtig! Wie ich höre, sind Sie doch nich ohne alle Anlage zur Wissenschaft. Also diese beeden Indianer waren von ihrem Schtamme nach Washington gesandt worden, um dem großen, weißen Vater eenige Wünsche des Schtammes vorzutragen. Als Gesandtschaft mußten sie nobel und rücksichtsvoll behandelt werden, und darum wurden sie des Abends zum Supper , zum Abendessen, beim Präsidenten eingeladen. Sie saßen da nebeneinander ganz unten an der Tafel, die fast zusammenbrach vor Flaschen, Schüsseln und Tellern, die darauf schtanden. Da gab's Speisen, die sie im Leben noch nich gesehen, noch viel weniger aber gegessen hatten; dabei lagen die Messer, Gabeln und Löffel, und sie mußten achtgeben, wie sie sich dabei zu benehmen hatten. Da raunte der Alte dem Jungen listig zu: ‚Mein junger Bruder mag mit mir offpassen, wovon die weißen Gäste am wenigsten nehmen; das ist die teuerste und köstlichste Schpeise; da langen wir tüchtig zu.‘
    Sie gaben also acht und bemerkten, daß am allerwenigsten genommen wurde von einer braunen Schpeise, die auf silbernen Untersetzern in kleenen, feinen Gläsern schteckte. In jedem Gläschen gab es eenen kleenen Löffel, der aus Schildkrötenschale gemacht war. Da meente der Alte wieder zu dem Jungen: ‚In diesen Gläsern befindet sich das teuerste und köstlichste Gericht. Mein junger Bruder kann een solches Glas mit seiner Hand erreichen; er mag sich zuerst von der Schpeise nehmen.‘
    Der junge Indianer zog sich das Glas herbei, nahm eenen gehäuften Löffel voll und rasch darauf noch eenen zweeten. Dabei blickte er sich um, ob man wohl bemerkt habe, daß er gleich zwee Löffel voll genommen hatte. Keen Mensch guckte her. Erscht nun begann er, die köstliche Speise mit der Zunge zu zerdrücken, und der Alte sah ihm dabei voller Spannung in das Gesicht. Dieses Gesicht wurde nach und nach gelb, rot und blau, sogar grün, aber es blieb schtarr und unbewegt, denn een Indianer darf selbst bei den ärgsten Schmerzen nich mit der Wimper zucken. Die Oogen wurden schtarr und immer schtarrer und fingen an zu tränen, bis das Wasser schtromweise über die Backen runterlief. Da machte der junge Indsman eenen fürchterlichen, todesmutigen Schluck, und – hinunter war der Senf und es wurde ihm wieder besser, nur daß das Wasser noch immer in Schtrömen aus den Oogen lief. Darum fragte der alte Indsman neugierig: ‚Warum weint denn mein junger roter Bruder?‘
    Dieser hätte um alles in der Welt nich eingestanden, daß ihm die köstliche Schpeise so off die Nerven und an das Leben gegangen sei, und darum antwortete er: ‚Ich dachte eben daran, daß mein Vater vor fünf Jahren im Mississippi ertrunken is; darum weine ich.‘
    Bei diesen Worten schob er dem Alten das Glas hin. Dieser hatte gesehen, wie schlau sein junger Bruder gewesen war, und machte es ebenso: er schob schnell hintereenander zwee volle Löffel in den Mund und klappte ihn dann rasch zu. Aber dann gingen mit eenem Male die Lippen wieder auseenander und klappten auf und zu wie bei eenem Karpfen, der keene Luft bekommen kann, oder wie wenn man eenen brennend heeßen Bissen in den Mund gesteckt hat und doch nich wieder herausnehmen kann. Dann zog es dem Alten die Schtirnhaut in die Höhe, und in der Gurgel quirlte es höchst verdächtig. Die Farbe seines Gesichtes veränderte sich wie bei eenem Chamäleon; der Schweeß sickerte aus allen Poren; die Oogen wurden rot und füllten sich mit eenem See von Tränen, welcher bald überlief und seine Fluten über die Backen herniedergoß. Das sah der Junge und fragte ihn: ‚Warum weint mein alter roter

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