10 - Der Ölprinz
weißen Squaw wendend, fuhr sie fort: „Also ich bin Frau Rosalie Eberschbach, geborene Morgenschtern, verwitwete Leiermüllerin, aus Heimberg in Sachsen, und hier is Julius, mein zweeter Gatte und Schmiedemeester – – –“
In dieser Weise nannte sie die Namen aller Personen der vier Auswandererfamilien und lud dann die Frau des Häuptlings ein, sich bei ihr niederzusetzen. Die Squaw folgte bereitwillig dieser Aufforderung, und bald befanden sich die Damen in einer sehr angeregten Unterhaltung, welche aber auf die Bitte der Squaw leise geführt wurde, denn bei den Indianern haben die Frauen in Gegenwart der Männer zu schweigen, selbst wenn diese nicht sprechen.
Dieses letztere war hier zunächst auch der Fall. Der Häuptling hatte sich zu Sam Hawkens gesetzt und blickte lange Zeit, ohne ein Wort zu sagen, finster vor sich hin. Die indianische Höflichkeit verbot den andern, sein Schweigen mit einem Wort zu brechen. Dann, nach ungefähr einer Viertelstunde, sagte er endlich: „Mein Bruder Sam mag mir sagen, wohin Old Shatterhand mit Winnetou ist!“
„Sie sind hinter den Nijoras her, um, wenn es sich als notwendig erweisen würde, euch zu warnen.“
„So mag mir Sam erzählen, was geschehen ist!“
Hawkens kam dieser Aufforderung nach. Er unterrichtete den Häuptling von allem, ohne aber viel Worte zu machen. Als er geendet hatte, blickte Nitsas-Ini wieder eine Weile still vor sich hin und sagte dann: „Morgen wird die Strafe kommen. Sind meine weißen Brüder bereit, uns zu helfen?“
„Ja“, antwortete Sam. „Eure Feinde sind unsre Feinde, und unsre Freunde mögen auch die eurigen sein!“
„Sie sind es. Wir wollen das Kalumet darauf rauchen.“
Er nahm die Friedenspfeife von der Schnur, mittels welcher sie an seinem Hals hing, öffnete den Tabaksbeutel und stopfte sie. Als er sie in Brand gesetzt hatte, erhob er sich, blies den Rauch nach dem Himmel und nach der Erde, dann nach den vier Himmelsrichtungen und sagte: „Alle Bleichgesichter, welche hier versammelt sind, sollen unsre Brüder und Schwestern sein. Ich spreche im Namen des ganzen Stammes der Navajos. Howgh!“
Er hätte eigentlich dem Gebrauch gemäß eine lange Rede halten sollen, aber die Umstände waren heut so, daß er es für besser hielt, so kurz wie möglich zu sein. Bei dem letzten indianischen Wort Howgh, welches eine Bekräftigung wie unser Amen bedeutet, gab er die Pfeife an Sam und setzte sich wieder nieder. Dieser stand auf, tat dieselben sechs Züge und sagte: „Ich rauche und spreche im Namen meiner weißen Brüder und Schwestern, die sich hier befinden. Wir wollen wie Söhne und Töchter der Navajos sein und im Kampf und Frieden bei euch bleiben. Ich habe gesprochen. Howgh!“
Er setzte sich auch wieder nieder und reichte dem Häuptling die Pfeife, der sie nun nicht weiter gab, sondern bis zu Ende rauchte. Als sie ausgegangen war, hing er sie wieder an die Schnur und sagte: „Morgen, noch ehe die Sonne hoch gestiegen ist, wird das Blut des Mörders und seiner beiden Begleiter fließen.“
„Denkst du, daß sie bis zu dieser Zeit hier angekommen sein werden?“ fragte Sam.
„Sie werden hier sein.“
„Sie werden aber nicht offen geritten, sondern heimlich geschlichen kommen. Man wird gut aufpassen müssen, um sie zu sehen.“
„Ich werde ihnen zwei Männer entgegensenden, welche die Augen des Adlers haben; die werden es mir melden, wenn sie kommen und an welcher Stelle sie eintreffen.“
„Was das betrifft, so ist diese Stellung sehr leicht zu erraten.“
„Was meint mein Bruder Sam?“
„Sie werden natürlich eurer Fährte folgen und also an den Ort kommen, an welchem ihr jetzt lagert. Ihr braucht ihn nur zu verlassen und euch in der Nähe zu verstecken, so müssen sie in eure Hände fallen.“
„Mein Bruder hat sehr richtig gesprochen; aber dennoch werde ich ihnen die beiden Späher entgegensenden, damit sie mir ganz sicher sind und ich sie auf alle Fälle ergreife.“
„Aber wenn du nicht Zeit dazu hast?“
„Wer könnte mich hindern?“
„Die Nijoras.“
„Die werden mich nicht hindern, sondern mir im Gegenteil förderlich sein, die Mörder zu ergreifen. Sie sind nach unserm Lager; sie finden dieses verlassen und werden uns folgen. Sie haben also die Mörder vor sich, die wir hinter uns haben. Sie bringen sie uns zugetrieben.“
„Wenn du dich nicht irrst, soll es mich freuen.“
„Ich irre mich nicht. Was könnten die Nijoras anders tun, als uns folgen?“
„Old Shatterhand
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