10 - Der Ölprinz
stehenblieben und ihre Aufmerksamkeit auch nach Süden richteten. Der Rote war Ka Maku, der Häuptling, eine lange, sehnige Gestalt mit der Rabenfeder im Schopf. Sein Gesicht war nicht bemalt, ein Zeichen, daß sein Pueblo im Frieden lag; darum steckte auch nur das Skalpmesser in seinem Gürtel. Die beiden Weißen neben ihm waren – Buttler, der Anführer der zwölf Finders, und Poller, sein Gefährte, welcher der Führer der deutschen Einwanderer gewesen war. Als sich in der Richtung, in welche sie blickten, nichts sehen ließ, sagte Buttler: „Noch nicht; aber sie kommen jedenfalls noch vor Anbruch des Abends.“
„Ja, sie werden sich beeilen“, stimmte der Häuptling bei. „Es sind kluge Männer bei ihnen, welchen nicht entgehen wird, daß ein Wetter naht; darum werden sie ihren Ritt beschleunigen, um hier zu sein, ehe es hereinbricht.“
„Du wirst also Wort halten? Ich darf mich auf dich verlassen?“
„Ich lüge nicht gegen dich. Du bist seit langer Zeit mein Bruder gewesen, und ich werde ehrlich gegen dich sein. Doch hoffe ich, daß ich mich auch auf dich verlassen kann und den Lohn erhalte, welchen du mir versprochen hast.“
„Ich habe dir meine Hand darauf gegeben; das ist so gut wie ein Schwur. Sorge nur dafür, daß ich baldigst und ungesehen mit dem Ölprinzen sprechen kann!“
„Ich werde ihn zu dir führen. Es wäre mir wohl nicht leicht geworden, dir mein Wort zu halten; nun aber, da das Wetter naht, werden diese Bleichgesichter nicht im Freien bleiben wollen, sondern in das Pueblo steigen, um nicht naß zu werden; da kann ich sie nehmen, ohne daß es zum Kampf kommt.“
„Diejenigen aber, welche ich dir bezeichnet habe, mußt du von ihnen trennen, damit sie später glauben, daß der Ölprinz sie gerettet hat.“
„Es wird geschehen, wie du gesagt hast. Uff! Da draußen kommen Reiter; sie werden es sein. Versteckt euch schnell!“
Die beiden stiegen eiligst nach dem obersten Stock empor, in welchem sie verschwanden. Der Häuptling aber blieb stehen und beobachtete die Nahenden mit scharfem Auge.
Es war ein langer Zug von Reitern und Packpferden, lang, weil er sich auf indianische Weise im Gänsemarsch, also ein Reiter hinter dem anderen, bewegte. Nur die drei vordersten ritten nebeneinander, nämlich Sam Hawkens, Droll und der Hobble-Frank. Als dieser letztere die sich übereinander aufbauenden Terrassen des Pueblos beim Näherkommen deutlich vor sich liegen sah, fragte er: „So een Bauwerk is mir noch nich vorgekommen. Was für een Bauschtiel mag das wohl sein? Ob byzantinisch-chloroformisch oder hebräisch-imperalisch? Vielleicht is es gotisch-objektivisch, vielleicht ooch griechisch-mirturalisch. Jedenfalls aber is es für so eenen Sachverschtändigen, wie ich bin, über alle Maßen interessant, zu sehen, mit welch eener regelmäßigen Treppenschtufenförmlichkeit sich diese Puebloindianer übereenander auf- und ansässig gemacht haben. Hast du, geliebter Sam, een architektonisches Verschtändnis für so eene amphi-dialektische Gebäudeförmlichkeet?“
„Du meinst jedenfalls amphitheatralisch“, antwortete Hawkens.
„Nee, das fällt mir nich im Troome ein. Ich gebe dir zu bedenken, daß du nich die nötigen Kenntnisse und Finessen besitzest, meinen gelehrten Verschtand petrefaktisch zu verbessern. Das Wort amphi is griechischer Dialekt und hat mit der Opernbühne und dem Theater nischt zu tun, und weil es Dialekt is, wird een derartiges Mauerwerk een amphidialektisches genannt. Als ich damals noch als Forschtgehilfe in Moritzburg amtifizierte, kam der berühmte Baumeester Gottfried Semper oft in unsern Wald schpaziert; ich habe ihn wohl zwanzigmal von weitem gesehen, und eenmal ging er so nahe an mir vorüber, daß ich ‚guten Tag‘ zu ihm sagte. Er nickte mir interimistisch zu und antwortete mit freundlichem Kontrapunkt: ‚Habe die Ehre!‘ Wenn ich nun so eener Berühmtheet so nahe gestanden habe, wirscht du doch nich wagen wollen, mir meine Bauschule und geometrischen Schtandesverhältnisse abzuändern. Oder kannst du mir vielleicht sagen, off welchem Grundschtene die gesamte Baukunst errichtet is?“
„Nun?“
„Off dem Pythagoreischen Lehrsatz, welcher bekanntlich lautet: Das Quadrat der Hypokonfuse sitzt off den beeden Kathedern. Aber was nutzt der Kuh Muschkate! Ich kann euch zehn Wochen lang das höhere Tierreich predigen, ihr bleibt doch die niedrigen Regenwürmer, die nur als Maulwurfsfutter nütze sind.“
Er machte bei diesen Worten eine wegwerfende
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