10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

die Stammeshäuptlinge Flint und Norrey, die beide in Fell und Eisen gekleidet waren. Der Norrey sah aus wie ein alter Fuchs – verrunzelt und dünn gebaut, aber mit durchtriebenem Blick und flink. Torghen Flint war einen halben Kopf kleiner, wog aber vermutlich doppelt so viel – er war ein stämmiger schroffer Kerl mit knorrigen Pranken, die so groß wie Schinken und deren Knöchel gerötet waren. Er stützte sich schwer auf einen Schlehdornstock und humpelte über das Eis. Bowen Marsh kam als Nächster, eingewickelt in ein Bärenfell, und nach ihm Othell Yarwyck. Die Letzten waren Septon Cellador, halb betrunken, und Clydas.
    »Geht ein Stück mit mir«, bat Jon sie. Sie gingen über die Mauer auf einem kiesbestreuten Weg in Richtung Westen, dem Sonnenuntergang entgegen. Nachdem sie sich etwa fünfzig Schritte von der Wärmehütte entfernt hatten, sagte er: »Ihr wisst, weshalb ich Euch gerufen habe. Morgen in drei Tagen werde ich das Tor öffnen, um Tormund und seinem Volk den Durchgang durch die Mauer zu gewähren. Bis dahin haben wir noch viel vorzubereiten.«
    Schweigen begrüßte seine Ankündigung. Dann sagte Othell Yarwyck: »Lord Kommandant, es sind tausende… «
    »… ausgemergelte Wildlinge, todmüde, hungrig und fern der Heimat.« Jon zeigte auf die Lichter ihrer Lagerfeuer. »Dort sind sie. Viertausend, behauptet Tormund.«
    »Dreitausend würde ich sagen, den Feuern nach.« Bowen Marsh lebte für Zahlen und Maße. »Und bei der Waldhexe in Hartheim sollen es mehr als doppelt so viele sein, haben wir gehört. Und Ser Denys schreibt von großen Lagern in den Bergen jenseits des Shadow Towers …«
    Jon leugnete es nicht. »Tormund sagt, der Weiner wolle es nochmals an der Schädelbrücke versuchen.«
    Der Alte Granatapfel berührte seine Narbe. Er hatte sie bei der Verteidigung der Schädelbrücke erhalten, als der Weinende Mann sich das letzte Mal den Weg über den Schlund erkämpfen wollte. »Sicherlich hat der Lord Kommandant nicht die Absicht, diesem … diesem Dämon ebenfalls den Zutritt ins Reich zu gestatten.«
    »Nicht gerade mit Freuden.« Jon hatte die Köpfe nicht vergessen, die der Weinende Mann zurückgelassen hatte, mit blutigen Löchern, wo zuvor die Augen gewesen waren. Der Schwarze Hans Bulwer, der Haarige Hal, Garth Graufeder. Ich kann sie nicht rächen, aber ich werde ihre Namen nicht vergessen. » Aber ja, Mylord, auch ihm. Wir können keine Auswahl treffen und den einen vom Freien Volk aufnehmen und den anderen nicht. Frieden bedeutet Frieden für alle.«
    Der Norrey räusperte sich und spuckte aus. »Da können wir genauso gut Frieden mit Wölfen und Aaskrähen schließen.«
    »In meinen Verliesen herrscht Frieden«, knurrte der Alte Flint. »Überlasst den Weinenden Mann mir.«
    »Wie viele Grenzer hat der Weiner umgebracht?«, fragte Othell Yarwyck. »Wie viele Frauen hat er vergewaltigt oder getötet oder geraubt?«
    »Drei von meinem Stamm«, sagte der Alte Flint. »Und er blendet die Mädchen, die er nicht mitnimmt.«
    »Wenn ein Mann das Schwarz anlegt, werden ihm all seine Verbrechen vergeben«, erinnerte Jon ihn. »Wenn wir wollen, dass die Männer und Frauen des Freien Volkes an unserer Seite kämpfen, müssen wir sie für die begangenen Verbrechen begnadigen, so wie wir es auch bei unseren eigenen Männern machen würden.«
    »Der Weiner wird die Worte nicht sprechen«, beharrte Yarwyck. »Er wird den Mantel nicht tragen. Selbst die anderen Räuber vertrauen ihm nicht.«
    »Man braucht einem Mann nicht zu vertrauen, um ihn zu benutzen.« Wie sonst könnte ich Euch benutzen? »Wir brauchen den Weiner und andere von seiner Art. Wer weiß mehr über die Wildnis als ein Wildling? Wer weiß mehr über unsere Feinde als ein Mann, der gegen sie gekämpft hat?«
    »Der Weiner weiß nur, wie man vergewaltigt und mordet«, sagte Yarwyck.
    »Wenn die Wildlinge erst einmal auf unserer Seite der Mauer sind, werden sie uns an Anzahl dreifach überlegen sein«, sagte Bowen Marsh. »Und zwar allein schon Tormunds Bande. Zählt die Männer des Weiners dazu und diejenigen, die sich in Hartheim versammelt haben, dann sind es genug, um der Nachtwache in einer einzigen Nacht ein Ende zu bereiten.«
    »Mit Zahlen allein gewinnt man keinen Krieg. Ihr habt sie noch nicht gesehen. Die meisten von ihnen sind halb tot.«
    »Mir wären sie ganz tot lieber«, erwiderte Yarwyck. »Wenn es Mylord gefällt.«
    »Es gefällt mir nicht .« Jons Stimme klang so kalt wie der Wind, der an ihren Mänteln